Rede

Für einen Umgang mit dem Wolf und bessere Bedingungen für Weidetierhaltung in Thüringen

Plenum 17.3.2022, TOP 10: AfD-Antrag Wolf (Drucksache 7/348) mit Alternativantrag CDU (Drucksache 7/434) und Beschlussempfehlung (Drucksache 7/4729)       


Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir sind froh, die anhängigen Anträge zum Wolf endlich abschließend beraten zu können. Seit der Antragstellung sind nun 2 Jahre vergangen. Seitdem hat sich die Rechtslage verändert. Die Aufnahme eines neuen § 45a und die Präzisierungen im § 45 des Bundesnaturschutzgesetzes, haben die Kompromissfindung bei uns im Umweltausschuss zweifellos erleichtert. Die heute zur Abstimmung stehende Beschlussempfehlung des Umweltausschusses bietet eine gute Grundlage für den weiteren Umgang mit der Thematik Wolf bei uns in Thüringen. Im Folgenden möchte ich auf die drei wesentlichen Aspekte der Empfehlung noch einmal eingehen. Dabei geht es um die Größe des Wolfsbestandes, um den Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen und um die Verbesserung der Herdenschutzmaßnahmen für Weidetierhalter*innen.

 

Zunächst möchte ich ein paar Anmerkungen zu der Größe des Wolfsbestandes machen. Dazu werden in regelmäßigen Abständen immer wieder sehr emotionale Diskussionen dahingehend geführt, die akzeptable Größe sei bereits überschritten. Dabei ist es sehr hilfreich, sich zunächst einmal ganz nüchtern die Rechtslage zu vergegenwärtigen. Und diese ergibt sich aus der Berner Konvention zur Erhaltung der wildlebenden Pflanzen und Tiere. Die Konvention wurde von der EU in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie völkerrechtlich umgesetzt. Der Schutzstatus der einzelnen Arten ergibt sich aus den Anhängen der Richtlinie. Der Wolf ist in Anhang IV gelistet. Daraus ergibt sich für Deutschland die Verpflichtung, dass Wölfe bei ihrer Wiederausbreitung einen langfristig lebensfähigen Bestand, den sogenannten günstigen Erhaltungszustand, aufbauen können. Eine Neufestlegung des Schutzstatus kann erst dann erfolgen, wenn dieser Erhaltungszustand erreicht ist. Ob und wann dies der Fall ist, entscheiden aber weder Landes- noch Bundesbehörden. Dies obliegt ausschließlich den dafür zuständigen Gremien auf der europäischen Ebene.

 

Jüngst wurden erneut Forderungen erhoben, der Wolf solle einem aktiven Bestandsmanagement unterworfen werden. Dies würde bedeuten, dass Landes- oder Bundesbehörden festlegen sollten, ab welcher Bestandsgrenze der Wolf bejagt werden kann. Solche Forderungen sind allerdings schlicht und einfach nicht mit dem europäischen Recht vereinbar und laufen allein schon deshalb ins Leere. Wenn die Wolfspopulation in Deutschland irgendwann die Größe für die Erreichung des günstigen Erhaltungszustandes erreicht hat, dann wäre selbstverständlich auch eine Herabstufung des Schutzstatus gerechtfertigt. Diese Größe ist aber in Deutschland noch nicht erreicht. Wir wollen uns als Bündnisgrüne der Diskussion um den Erhaltungszustand aber auch nicht verschließen. Wir haben deshalb zugestimmt, dass in der Beschlussempfehlung unter den Ziffern II. a) und b) festgehalten wird, den Erhaltungszustand der Wolfspopulation wissenschaftsbasiert zu spezifizieren und den Schutzstatus dann gegebenenfalls auch anzupassen.

 

Somit möchte ich zu dem zweiten in der Beschlussempfehlung festgehaltenen Aspekt kommen. Hier geht es um die Frage des Umgangs mit sogenannten Problemwölfen. Ich habe eingangs schon auf die Gesetzesnovellierung in § 45 und § 45a des Bundesnaturschutzgesetzes hingewiesen. Mit dem neu einfügten § 45a „Umgang mit dem Wolf“ wurden artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen zur Tötung von Wölfen festgeschrieben. Im November 2021 hat die Umweltministerkonferenz zur Umsetzung dieser Norm den von einer Bund-Länder Arbeitsgruppe erarbeiteten Praxisleitfaden zur Entnahme von Wölfen verabschiedet. Verhaltensauffällige Wölfe können nun auch bei Vorliegen eines „ernsten wirtschaftlichen Schadens“ entnommen werden. Auch dann, wenn Nutztierrisse keinem bestimmten Wolf aus einem Rudel zugeordnet werden können. Für uns sind die immer wieder aufkommenden Problemwolf-Debatten deshalb nicht nachvollziehbar und wir sehen nach der Gesetzesänderung und mit dem nun vorliegenden Praxisleitfaden auch keinen weiteren Handlungsbedarf.

 

Wir finden es hingegen umso verwunderlicher, wenn die Übernahme des Wolfs in das Jagdrecht mit Verweis auf ein Gutachten der Landtagsverwaltung weiterhin ins Spiel gebracht wird. Denn hierbei handelt es sich um eine sinnfreie Scheindebatte. Es ist zwar richtig, dass der Wolf wie in Sachsen in das Thüringer Jagdrecht aufgenommen werden könnte. Rechtlich bliebe dies allerdings völlig folgenlos. Denn solange der Wolf durch europäisches und Bundesrecht als streng geschützte Art eingestuft ist, würde er durch eine landesrechtliche Regelung nicht zu einer jagdbaren Art. Und selbst wenn die Aufnahme rechtliche Auswirkungen hätte, ergäbe sich für das Wolfsmanagement kein Mehrwert. Denn zuständig wären neben den Naturschutzbehörden, dann auch noch die Jagdbehörden. Dennoch verbleiben für die Landesebene auf der untergesetzlichen Ebene noch Handlungsspielräume. Diese Feststellung findet sich in der Beschlussempfehlung unter Ziffer II. c) wieder.

 

Damit komme ich zum dritten und für die Gesamtthematik eigentlich wichtigsten Aspekt: zu der Weidetierhaltung. Wir wissen alle welche wichtigen Beiträge Weidetierhalter*innen für den Naturschutz und den Erhalt von artenreichen Kulturlandschaften erbringen. Es ist deshalb dringend notwendig die Bedingungen für Weidetierhalter*innen weiter zu verbessern. Wir begrüßen es, dass es ab 2023 endlich bundesweit eine Weidetierprämie geben soll. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in Thüringen als erstes Bundesland über die Schaf-Ziegen-Prämie bereits seit 2019 ein entsprechendes, vollständig aus Landesmitteln finanziertes  Förderprogramm aufgelegt haben. In Bezug auf den Wolf ist es jedoch das Wichtigste, dass die Weidertierhalter*innen bei den Herdenschutzmaßnahmen so gut wie möglich unterstützt werden. Die Förderungen sind bei uns in Thüringen über die Richtlinie Wolf/Luchs geregelt. Investive Maßnahmen für einen optimalen Herdenschutz, wie beispielsweise 120 cm hohe elektrifizierte Zäune werden daraus in einer Höhe von 100% bezuschusst. Es ist sehr gut, dass die Landesregierung auch hier immer weiter nachjustiert. Im Umweltausschuss wurde angekündigt, dass die Richtlinie bis zum Beginn der Weidesaison überarbeitet wird. Dann können über die investiven Maßnahmen hinaus, auch eigene Arbeitsleistungen beispielsweise beim Errichten der Zäune oder auch laufende Betriebsausgaben gefördert werden.

 

Weiterhin wird als eine sehr wirksame Maßnahme der Einsatz von Herdenschutzhunden gefördert. Dass es in Thüringen 2021 nur einen einzigen Wolfsriss gegeben hat, dürfte auch mit der Auflage des Pilotprojekts Herdenschutzhunde Thüringen im Jahr 2020 zusammenhängen. Trotz aller Herdenschutzmaßnahmen wird es dennoch immer Übergriffe von Wölfen auf Weidetiere geben. Es ist selbstverständlich, dass Nutztierrisse in diesen Fällen entschädigt werden. Auch hier hatte Thüringen als eines der ersten Bundesländer die Kosten aus Rissen zu 100% entschädigt. In der Ziffer II.d) der Beschlussempfehlung wird die Landesregierung aufgefordert auch weiterhin alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Bedingungen für die Weidetierhaltung auszuschöpfen.

 

Zusammenfassend kann ich sagen: Als Fraktion BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen wir die Wiederausbreitung des Wolfs als Teil der biologischen Vielfalt in Deutschland. Die daraus resultierenden Konflikte mit der Weidetierhaltung lassen sich aber nicht mit Forderungen zur Bejagung auflösen. Eine Aufnahme ins Jagdrecht würde lediglich zu weiteren rechtlichen Verkomplizierungen führen, die unter dem Strich auch noch völlig folgenlos blieben. Für verhaltensauffällige Wölfe steht mit dem § 45a Bundesnaturschutzgesetz ein rechtliches Instrument zur Verfügung. Als Grüne setzen wir uns dafür ein, die Bedingungen für die Weidetierhaltung immer weiter zu verbessern und so auch die Akzeptanz für den Wolf zu steigern. Wir bitten um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Umweltausschusses und den damit verbundenen Änderungen im Antrag der CDU. Den Antrag der AfD lehnen wir ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Antworten