Bericht

Bericht zum Kongress „WIR SIND UNSCHLAGBAR – Häusliche Gewalt: Situation, Schutzkonzepte, Prävention“

Die weitere Zunahme der Anzahl von polizeilich registrierten Fällen häuslicher Gewalt im zweiten Jahr der Pandemie zeigt, dass sich die prekäre Lage von Betroffenen weiter zuspitzt. Im vergangenen Jahr wurden deutschlandweit insgesamt 160.921 Opfer polizeilich registriert. Das entspricht einem Anstieg von fast 1,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2020. Die Gründe für diesen Zuwachs sind vielschichtig, dies haben wir beim ersten Kongress schon als Ursachen für einen möglichen Anstieg häuslicher Gewalt herausgearbeitet. Sie zeigen, dass wir die Maßnahmen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt und zum Schutz der Betroffenen weiter verstärken müssen. Als Fraktion haben wir uns bereits in der Vergangenheit intensiv mit dem Thema häusliche Gewalt auseinandergesetzt und dazu zahlreiche Veranstaltungen organisiert. Nun haben wir, als Fortsetzung unseres ersten Kongresses im vergangenen Juni, den zweiten Teil von „WIR SIND UNSCHLAGBAR – Häusliche Gewalt: Situation, Schutzkonzepte, Prävention“ veranstaltet.

Häusliche Gewalt ist keine individuelle Angelegenheit und findet in allen sozialen Schichten, Altersklassen und Milieus gleichermaßen statt. Es ist ein gesellschaftliches Problem, von dem durch vorherrschende patriarchale Machtstrukturen insbesondere Frauen und Kinder betroffen sind. Daher ist eine intensive, öffentliche Debatte zu dieser Thematik wichtig. Gewaltprävention und der Schutz von Betroffenen müssen an unterschiedlichsten Stellen ansetzen – daher müssen wir in der Politik uns dessen annehmen, sei es im innen-, justiz- oder frauenpolitischen Kontext.

Am 20. Mai 2022 organisierten wir im Co-Working Space Krämerloft Erfurt unseren Kongress, dessen Ziel es war, gemeinsam mit Vertreter*innen aus den Thüringer Initiativen, Organisationen, Fachstellen und Ämtern den Austausch erneut aufzunehmen. Im Zuge der vorhergehenden Veranstaltung haben wir ein Maßnahmenpapier mit den thematischen Schwerpunkten Justiz und Rechtsgrundlagen, Opferschutz und Frauenhäuser sowie Präventiver Gewaltschutz und Täter*innenprävention, erarbeitet. In angeregten Gesprächen und themenspezifischen Diskussionsrunden wurden diese Maßnahmen nun, aus Sicht der Expert*innen aus der Praxis, erneut beleuchtet und diskutiert.

Nach einer gemeinsamen Begrüßung durch Moderatorin Birgit Meusel, von der Ideenspinnerei Erfurt, hießen unsere Abgeordneten Astrid Rothe-BeinlichMadeleine Henfling und Laura Wahl alle Teilnehmenden herzlich willkommen. In ihrem digitalen Grußwort verdeutlichte unsere Fraktionsvorsitzenden Astrid Rothe-Beinlich, wie wichtig uns der Input von denjenigen ist, die in der praktischen Arbeit tagtäglich mit den verschiedenen Formen von häuslicher Gewalt zu tun haben. Insbesondere um sinnvolle, praktische und möglichst schnell umsetzbare Maßnahmen identifizieren zu können, die den Schutz der Opfer weiter verstärken. Dies ist angesichts der kürzlich veröffentlichten Zahlen dringend notwendig.

ERGEBNISSE AUS DEN DISKUSSIONEN

Im Anschluss teilten sich die Kongressteilnehmenden auf die unterschiedlichen Themenbereiche auf, um in kleineren Gruppen intensiv zu debattieren und sich über die eigenen Erfahrungsstände auszutauschen. Alle Beteiligten, ob Teilnehmer*innen, unsere Abgeordneten oder Mitarbeiter*innen, empfanden diesen Austausch als sehr gewinnbringend.

Die Ergebnisse zum Thema Opferschutz und Frauenhäuser machen deutlich, dass gerade im Bereich der Fördermittel und der besseren Zusammenarbeit Handlungsbedarf besteht. Aus Sicht der praxisnahen Expert*innen sind die Förderprogramme schwierig zu durchschauen. Deshalb besteht zunächst der Wunsch, Möglichkeiten zur einheitlichen Regelung und Finanzierung zu schaffen. Darüber hinaus ergaben die Diskussionen, dass Informationen besser gebündelt werden müssen, um die Zusammenarbeit mit anderen Schutzeinrichtungen und weiteren Stellen zu verbessern. Im Bereich Opferschutz braucht es, so die Teilnehmer*innen, niedrigschwellige Zugänge zu Informationen, Hilfen und Rechtsansprüchen. Zudem muss ein Umdenken stattfinden – Schutzeinrichtungen müssen für alle Gewaltopfer offen und zugänglich sein. Die dafür nötigen Finanzmittel müssen bereitgestellt werden.

Am zweiten Diskussionstisch ging es um die Themen präventiver Gewaltschutz und Täter*innenprävention. Eine wichtige Forderung, die sich hier herauskristallisierte, ist eine übersichtliche Bündelung von Informationen zu Thüringer Hilfsangeboten auf einer Website. Auch ausgeschriebene Schutzstellen, nach dem Modell der Kindernotinseln, wurden als mögliche Verbesserung der Hilfsangebote für Betroffene von häuslicher Gewalt vorgeschlagen. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den Möglichkeiten und Grenzen des polizeilichen Handelns in Fällen Häuslicher Gewalt. Zum einen wurde der Wunsch nach gezielten Fortbildungen und Sensibilisierungen für Polizist*innen deutlich. Ein Vorschlag war bspw., dies in der Grundausbildung zu verankern. Zum anderen forderten die Expert*innen eine Regelung für die Weitergabe von Informationen über Täter*innen an Präventionsprojekte und eine verstärkte institutionelle Zusammenarbeit.

Der dritte Themenkomplex drehte sich um Fragen der Justiz und Rechtsgrundlagen. Es wurde deutlich, dass in diesem Bereich viel Frustration herrscht. Die Hauptproblemfelder, die in der Diskussion benannt wurden, sind dabei undurchsichtige verfahrensrechtliche Strukturen, Problematiken des Datenschutzes sowie die Finanzierung der Opferschutzverfahren. Darüber hinaus beklagten viele der Expert*innen, dass die Kommunikation innerhalb und mit den Gerichten oft schwierig oder nicht existent ist. Auch hier wurde gefordert, die Jurist*innen mehr zu sensibilisieren sowie Themen der häuslichen Gewalt explizit in Aus- und Fortbildungen einzubinden.

ABSCHLUSSDISKUSSION

Nach einem Vormittag, geprägt von spannenden Diskussionen und regem Austausch, kamen zum Abschluss noch einmal alle gemeinsam zusammen, um zu reflektieren und ein Fazit zu ziehen. Dabei stellte Moderatorin Birgit Meusel fest, dass es im Themenbereich häusliche Gewalt viele offene Fragen und Verbesserungswünsche gibt. Sie endete mit der Frage, was nun mit den Ergebnissen des Kongresses passiert und leitete so zurück an die Politik.

Zuerst kam Gabi Ohler, die Gleichstellungsbeauftragte Thüringens, zu Wort, um aus ihrer Perspektive die vorangegangenen Diskussionen zu beleuchten. Ein besonderes Augenmerk legte sie hierbei auf die blinden Flecken, wie bspw. fehlende Barrierefreiheit in Frauenhäusern, der Mangel an Männerschutzwohnungen sowie die fehlenden Möglichkeiten zur intensiven Betreuung von suchtkranken Betroffenen. Darüber hinaus zeigte sie sich sehr dankbar für die gute Kommunikation mit der rot-rot-grünen Koalition und freute sich darüber, dass das Problem fachübergreifend aufgegriffen wird und nicht nur von der gleichstellungspolitischen Sprecherin als Problem erkannt wird. Neben den ihr bereits bekannten Problemen stellt Gabi Ohler klar, dass zusätzlich zur bisherigen Zusammenarbeit, eine interministeriale Arbeitsgruppe sinnvoll wäre, um die umfassenden Bereiche zusammenzubringen.

Abschließend bat Moderatorin Birgit Meusel unsere Abgeordneten aus ihrer Sicht ein Fazit des Austausches zu geben und zusammenzufassen, was sie aus diesem mitnehmen werden.

Unsere MdL Madeleine Henfling bedankte sich zunächst für den wichtigen Austausch und stellte klar, dass den meisten Anwesenden die Probleme schon seit Jahren bekannt sind. Sie hofft allerdings, dass dieser Kongress den nötigen Druck erzeugt, um die Erarbeitung von mehr Maßnahmen zu erwirken. Sie thematisierte in ihrem Fazit, dass es noch viele rechtliche Fragen zu klären gibt. Im Bereich Datenschutz möchte unsere Abgeordnete prüfen, wie Opferschutz bspw. im Polizeiaufgabengesetz verankert werden könnte. Darüber hinaus möchte sie eine gemeinsame Landesstrategie, im Bereich Förderbedingungen, forcieren, um den bestehenden Institutionen mehr Planungssicherheit durch stetige finanzielle Förderung zu bieten. Zuletzt kündigte Madeleine Henfling an, das Thema in künftige Termine mitzunehmen und nach intensiver Bündelung der Informationen und Klärung der Zuständigkeiten, Maßnahmen zu erarbeiten.

Unsere Abgeordnete Laura Wahl sieht es abschließend als die wichtigste Aufgabe, die einzelnen Player zu identifizieren, um klare Zuständigkeiten zu schaffen. Darüber hinaus hob sie hervor, wie wichtig eine ressortübergreifende Landesstrategie zum Thema häusliche Gewalt ist, gerade um zu gewährleisten, dass Strukturen zum Schutz der Betroffenen besser ineinandergreifen. Auch eine Steigerung der wissenschaftlichen Begleitung der Debatte sieht sie als gewinnbringend und notwendig an. Zuletzt stellte sie klar, dass die Motivation, die uns als Fraktion antreibt, das Schaffen von Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft ist.

Die Teilnehmer*innen bedankten sich für den sehr wichtigen und gewinnbringenden Austausch. Als Hoffnung äußerten sie, dass das Engagement unserer Fraktion zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bestehen bleibt und Bündnisse, Einrichtungen und NGOs in die weitere Arbeit miteingebunden werden, um auch in der Praxis für mehr Akzeptanz zu sorgen.

Nach einem erfolgreichen Kongress ist unser nächster Schritt nun die Ergebnisse zu bündeln und, gemeinsam mit den praxisnahen Expert*innen, Maßnahmen zu implementieren.

Wir bedanken uns herzlich bei Birgit Meusel für die Moderation, bei Nicole Sennewald und dem Team des Krämerlofts Erfurt und natürlich bei allen Teilnehmer*innen für die anregende, konstruktive und spannende Debatte.

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