Rede

Erdgasversorgung: Wer die Transformation ausbremst, beschleunigt die Krise.

85. Plenarsitzung, 13. Juli 2022, TOP 65b): Aktuelle Stunde CDU: Erdgasversorgung (Drucksache 7/5757)     

[Hinweis: das gesprochene Wort kann abweichen]


Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen und Zuschauer*innen auf Tribüne wie auch am Livestream,

durch den russischen Angriffskrieg sind jahrzehntelange Gewissheiten verloren gegangen. Eine dieser in Deutschland vorherrschenden Gewissheiten bestand darin, dass uns die Sowjetunion bzw. Russland unabhängig von politischen Großwetterlagen verlässlich mit billigem Gas versorgt. Vielen fällt erst jetzt auf, dass wir uns dadurch in eine fatale Abhängigkeit begeben haben, aus der es nun leider keinen schnellen Ausweg geben wird.

Wir müssen nun mit einer Gasmangellage zurechtkommen, die sich sehr wahrscheinlich auch noch über die Zeitspanne des nächsten Winters hinaus erstrecken wird. Das aus Versorgungssicht schlimmste Szenario könnte schon in Kürze eintreten. Sollte nach der derzeit laufenden Wartungsphase von NordStream 1 kein Gas mehr durch die Leitung geschickt werden, ließen sich unsere Gasspeicher für den kommenden Winter nicht mehr ausreichend befüllen. Die Ausrufung der Notfallstufe wäre damit unausweichlich.

Die CDU hat dieses Szenario zum Anlass genommen, für das heutige Plenum eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Zeitgleich mit dieser Anmeldung hat sie aber auch einen Antrag mit dem Titel „Versorgungssicherheit garantieren“ eingebracht. Und diese Gleichzeitigkeit ist dann doch überraschend. Denn entweder man erkennt die Konsequenzen aus der Notfallstufe an. Und das bedeutet dann eben als Ultima Ratio auch, dass für einige Verbraucher*innen der Gasverbrauch reduziert werden muss.

Oder man suggeriert wie mit dem Titel, dass solche Einschränkungen mit den richtigen Politikmaßnahmen vermieden und eine uneingeschränkte Versorgungssicherheit garantiert werden könnten. Liebe CDU, es ist wirklich unseriös, in diesen Zeiten solche Garantien einzufordern.

Als Bündnisgrüne sind wir jedenfalls dafür dankbar, dass die Bundesregierung zur Abmilderung der Mangellage alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpft. So wurden beispielsweise mit dem im März eingeführten Gesetz zur Nationalen Gasreserve oder mit dem in der letzten Woche verabschiedeten Energiesicherungsgesetz überhaupt erst wieder die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, als Staat im Sinne der Versorgungssicherheit handlungsfähig zu sein. Für die zusätzliche Gaseinspeicherung hat die Regierung in einem ersten Schritt finanzielle Mittel über 15 Milliarden Euro für den Gaseinkauf zur Verfügung gestellt. Und zur Absicherung von Energieunternehmen wird gerade ein Rettungsschirm aufgespannt, wodurch in der Lieferkette dann auch kommunale Versorgungsunternehmen und Endverbraucher*innen abgesichert werden können. Bei der Ausgestaltung wird darauf zu achten sein, dass die großen Konzerne sich nicht aus ihrer privatwirtschaftlichen Verantwortung stehlen.

Alle diese Maßnahmen sind richtig und zwingend notwendig. Und dennoch ist ganz klar, dass die Preise für die Gaskunden weiterhin steigen könnten oder zumindest auf einem sehr hohen Niveau verbleiben werden. Durch diese Preisentwicklung droht sich die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft weiter zu vertiefen. Da im Anschluss an diese Debatte eine weitere Aktuelle Stunde zur Energiepreisexplosion auf der Tagesordnung steht, werde ich dort auf die notwendigen sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu sprechen kommen.

Zum Abschluss möchte ich an die demokratischen Fraktionen in diesem Landtag appellieren, gemeinsam an der Bewältigung der Energiekrise zu arbeiten. Dazu müssen wir uns alle ohne Vorbehalte den unausweichlichen Schlussfolgerungen stellen, auch wenn diese für unsere Parteien mit Zumutungen verbunden sind.

Für uns als Grüne gehört dazu die vorübergehende Rückholung von Kohlekraftwerken aus der Reserve. Diese Maßnahme ist unter klimapolitischen Gesichtspunkten nur dann zu rechtfertigen, wenn es uns in dieser Übergangszeit gleichzeitig gelingt, den Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich zu beschleunigen. Nur dann hätten wir nicht nur einen Schritt in eine klimaneutrale Zukunft gemacht, sondern auch einen Beitrag zu mehr Energieunabhängigkeit und für ein versorgungsicheres und kostengünstiges Energiesystem geleistet. Als Grüne laden wir sie dazu ein, mit uns gemeinsam den dafür notwendigen Transformationsprozess entschieden voranzutreiben.

Denn nie war deutlicher als heute: Wer die Transformation ausbremst, beschleunigt die Krise.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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