Am 26.05.2019 waren die Kommunalwahlen. Ein Bericht von Laura Wahl über ihr erstes Jahr als Erfurter Stadträtin:
Erstes Jahr im Stadtrat „abgesessen“😏 – wie war´s?
1. Tatsächlich viel Sitzen, u.a. in unzähligen Stadtrats-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen;) Aber vor allem macht die politische Arbeit für grüne Projekte eine Menge Spaß und neue Erfahrungen und Einblicke zu erlangen, ist super spannend!
2. Einige Erfolge – einige Enttäuschungen. Es ist ermutigend, wie konkret man mit Ideen über Anträge im Stadtrat oder Änderungsanträgen in den Ausschüssen was bewirken kann. Und hier hilft es vor allem, einen genauso motivierten Partner-in-Crime Jasper Robeck zu haben, mit dem man sich nachts noch progressive Änderungsanträge im „Speicher“ ausdenken kann.💚 So konnten wir als bündnisgrüne Fraktion z.B. bewirken, dass in den Haushaltsverhandlungen Gelder für eine*n Radverkehrsbeauftragte*n eingestellt werden, das Städtebauprojekt im Erfurter Süden geschlechtergerecht gestaltet wird (feministische Städteplanung zeigt wichtige Perspektiven auf, z.B. bei der Aufteilung des öffentlichen Raums) und an vielen einzelnen Bauvorhaben ökologische Verbesserungen wie Holzbauweise oder Photovoltaik erreichen. Enttäuschend war für mich bisher vor allem die Ablehnung unseres Klimanotstandsantrags im Dezember-Stadtrat. Erfurt wird das Ziel, gegenüber 2008 30% der Kohlenstoffdioxidemissionen einzusparen, verfehlen und dennoch konnte für die Ausrufung des Klimanotstands keine Mehrheit gefunden werden. Genauso läuft es leider häufig, wenn zur Förderung von Radwegen ein paar Parkplätze wegfallen müssten oder beim Baumerhalt. Umwelt- und Klimaschutz schreiben sich zwar viele Fraktionen auf die Fahnen, doch sobald es konkret wird, sind die Mehrheiten weg. Das ist oft enttäuschend.
3. Immer wieder auffällig ist die Geschlechterverteilung im Stadtrat, die noch weit weg ist von einem ausgeglichenen Verhältnis. Zu Beginn waren von 50 Stadträt*innen 13 Frauen dabei, nun sind wir noch 11. Dieses Ungleichverhältnis betrifft jedoch nicht nur den Stadtrat, sondern fast alle Gremien, mit denen ich zu tun habe, wie z.B. auch den Gestaltungsbeirat oder Bürger*innenbeteiligungsrat. Frauen sind eigentlich immer in der Minderheit. Besonders irritierend war das bei der letzten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bau, Umwelt, Klimaschutz und Verkehr. Wegen Corona waren nur die „oberen“ Verwaltungsvertreter mit dabei und plötzlich war ich im Raum neben der Schriftführerin die einzige Frau bis mit Katja Maurer das zweite weibliche Ausschussmitglied kam. Das macht deutlich, wie nötig Frauenförderung auf den verschiedensten Ebenen bleibt. Immerhin haben wir als Fraktion Grüne.Stadt.Erfurt mit Astrid Rothe-Beinlich eine weibliche Fraktionsvorsitzende💪 – wohlgemerkt 1 von 8 Fraktionsvorsitzenden.
4. Noch viel vor! Das erste Stadtratsjahr ging super schnell vorüber, vor allem auch, da es so viele Unterbrechungen gab. Zuerst hatten wir eine ewig lange Sommerpause bis sich der Stadtrat überhaupt konstituiert hat, nun fanden aufgrund der Corona-Pandemie mehrere Wochen lang keine Ausschüsse statt. So ist es schwierig, dass der Stadtrat in einen geregelten Arbeitsmodus kommt und es macht sich bemerkbar, weil viele Anträge der Fraktionen immer weiter nach hinten geschoben werden. Wichtig ist aus unserer Sicht, feste Umweltstandards zu etablieren, um nicht bei jedem Bauvorhaben individuell nachbessern zu müssen. Deshalb haben wir in diesen Stadtrat eine „Selbstverpflichtung zum Baumschutz“ eingebracht und wollen feste Umweltstandards z.B. bei Bauvorhaben etablieren. Neben Klimaschutz streiten wir außerdem weiter für eine solidarische und weltoffene Stadt. Dazu gehört bezahlbarer Wohnraum, dass kolonialistische Straßennamen wie das Nettelbeckufer oder die Mohrengasse umbenannt werden und auch Solidarität mit Menschen auf der Flucht. Deshalb wird morgen unser gemeinsamer Antrag „Erfurt zum sicheren Hafen machen“ im Stadtrat behandelt. Außerdem ist mein persönliches Hauptziel, bessere Bedingungen für Radfahrende zu schaffen, noch lange nicht erreicht. Freue mich daher auf die nächsten 4 Jahre!