Rede

Bedeutung des 8. März in Thüringen – mehr als Blumen und Applaus

10.03.2021

Ich bin der Linken dankbar, dass sie den 8. März heute in der aktuellen Stunde aufgreift. Und der Titel – mehr als Blumen und Applaus – trifft ein Problem auf den Punkt. Angesichts der bestehenden Ungleichheiten, der alltäglichen sexuellen Gewalt, den Einkommensunterschieden empfinde ich eine Rose und ein fröhliches „Alles Liebe zum Frauentag“ in diesen Zeiten nämlich fast schon als zynisch.

Der 8. März dient dazu, feministische Kräfte zu bündeln, denn vielen Frauen fehlt neben Kindererziehung und schlecht bezahlten Jobs im Alltag dafür auch manchmal einfach die Kraft, und den Finger in die Wunde zu legen, um auf bestehende sexistische Strukturen aufmerksam zu machen. Unsere Gesellschaft ist durchzogen davon und Corona legt gerade einige davon schonungslos offen.

Der Einzelhandel, die Krankenpflege – durch Corona wurden Jobs für systemrelevant erklärt, in den denen die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren stressiger und das Gehalt nicht besser wurde. Es sind die Branchen, in denen ganz vielfach Frauen arbeiten und die einen wichtigen Beitrag in der Corona-Pandemie leisten. Dass es die typische Frauen-Branchen sind ist leider allerdings auch mit ein Grund, warum diese so schlecht bezahlt sind. Gerade zum heutigen Equal Pay Day möchte ich auf den Zusammenhang hinweisen, den Forscher*innen aufgezeigt haben:

Sobald viele Frauen in einer Branche sind oder kommen, sinkt das Durchschnittseinkommen und die Reputation des Jobs. Dieser Effekt ist für verschiedene Berufe bekannt, wie z.B. Grundschullehrer, Friseur oder Sekretär, alles Berufe die früher von Männern dominiert worden waren.

Ein Grund könnte lauten, dass wir die Arbeit von Frauen allgemein weniger wertschätzen, Stichwort Patriarchat. Bei Experimenten mussten Proband*innen bewerten, ob das Gehalt von fiktiven Beschäftigten gerecht ist. Ergebnis der Studie: Die Proband*innen empfanden das Gehalt bei Frauen eher zu hoch als bei Männern – wohlgemerkt bei gleicher Tätigkeit und bei gleicher Qualifikation. Ein Teil der Lohnlücke entsteht also auch aufgrund des Frauenbildes in unseren Köpfen.

Die Corona-Krise könnte den Gehaltsunterschied langfristig nun weiter verschärfen, da sich nicht nur der Gender Pay Gap, sondern auch der Gender Time Gap vergrößert. Gerade im ersten Lock Down waren es vielfach Frauen, die ihre Arbeitszeit mehr reduziert haben, um die Kinderbetreuung zu übernehmen. Sie arbeiten also insgesamt nicht weniger, haben aber durch die Reduktion der Stunden im Job am Ende des Monats weniger in der Tasche.

Um diese Unterschiede zu beenden, brauchen wir eine Politik, die Strukturen verändert. Eine Anhebung des Mindestlohns, damit Berufstätige von ihrer Arbeit leben können, eine Garantierente für alle und auf Landesebene z.B. ein Vergabegesetz, das Arbeitnehmer*innenrechte stärkt anstatt sie zu schwächen. Feminismus muss in der Politik ein Querschnittsthema sein, dass in allen Fachbereichen und allen Ressorts mitgedacht und umgesetzt wird.

Ein weiteres Thema, das zwar in der Pandemie mehr Aufmerksamkeit erfahren hat als sonst, aber immer noch nicht als Sicherheitsproblem des Ausmaßes anerkannt wird, das es eigentlich haben müsste, ist häusliche Gewalt. Hieran macht sich z.B. deutlich, warum Gleichstellung nicht allein die Aufgabe von Frauenpolitiker*innen ist. Gerade im Bereich der Innenpolitik, der Polizei der Justiz ist es notwendig, Präventionsnetzwerke aufzubauen, die bei häuslicher Gewalt die Schärfe der Situation erkennen und in Zusammenarbeit angemessen reagieren können. Hier muss angesetzt werden, denn die Hälfte aller Femizide könnte verhindert werden, wenn Frühwarnzeichen auch vonseiten der Behörden richtig erkannt würden.

Da Gewalt aber nicht immer verhindert werden kann, braucht es auch Netzwerke, Beratungsstellen und Schutzräume die von häuslicher Gewalt Betroffene auffangen und einen Ausweg aus einer gewaltvollen Situation ermöglichen. In Thüringen haben wir die Istanbul-Konvention an diesem Punkt noch nicht umgesetzt. Es gibt zu wenig Plätze in den Frauenhäusern und die Schutzwohnungen sind in Thüringen nicht verteilt genug. Lange Wege in den ländlichen Räumen bis zur nächsten Hilfestelle können allerdings teilweise schon eine Barriere bilden, die die Hilfesuche von Frauen verhindert.

Obwohl Schutzeinrichtungen – nach unserem Rechtsverständnis, aber auch dem des Bundesfrauenministeriums – eine kommunale Pflichtaufgabe sind, gibt es in den Kommunen nicht ausreichend Plätze gemäß Istanbul-Konvention. Das ist nicht tragbar und deshalb sind wir der Meinung, dass hier der Bund und das Land die Verantwortung haben, zu handeln, und die organisatorische und finanzielle Verantwortung zu übernehmen. Es kann nicht sein, dass das Unterstützungsangebot, das von Gewalt Betroffenen zur Verfügung steht, unterschiedlich ist, abhängig davon wo sie ihren Wohnort haben.

Das alles sind patriarchale Strukturen, wo sich noch vieles ändern muss. Und aus diesem Grund kämpfen wir am 8. März eben auch nicht für Blumen, sondern diesen feministischen Kampftag braucht es, um Veränderung voranzutreiben. Die Aufgabe an uns alle – und gerade auch als Politiker*innen – ist es, am 8. März nicht nur ein schönes Foto zu posten, sondern jeden Tag die Forderungen des feministischen Kampftags in die Öffentlichkeit, in jedes Gremium und jedes Treffen zu tragen.

  1. März ist alle Tage!

Vielen Dank.

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