Rede

Geschlechtervielfalt anerkennen und schützen

Rede zur 44. Plenarsitzung am 23. April 2021

TOP 31: Geschlechtervielfalt anerkennen und schützen – Transsexuellengestetz abschaffen – zeitgemäßes Selbstbestimmungsgesetz einführen (DS 7/2216 Alternativantrag r2g)

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen und Zuschauer*innen am Livestream,

ich möchte gerade auch nach der Rede der AfD  gleich zu Beginn festtellen: LGBT*-Rechte sind Menschenrechte!

Das ist etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte und unsere Grundrechte gelten natürlich auch für queere Personen. Aber dennoch muss man es leider betonen, denn auch in Deutschland gibt es immer noch Gesetze, die LGBTI andere Regeln auferlegen und massiv in ihre Menschenrechte, wie das Recht auf freie Entfaltung, eingreifen.

Und deswegen gehts hier eben nicht um “Lifestyle-Entscheidungen”, Frau Herold, wie sie das genannt haben, sondern um Grundrechte, die für jede*n Bürger*in verbürgt sind.

Die Frage, welchem Geschlecht sich ein Mensch als zugehörig empfindet, betrifft Art. 2 GG und schließt für andere die  Pflicht ein, die individuelle Entscheidung eines Menschen über seine Geschlechtszugehörigkeit zu respektieren. Dies gebietet die Achtung vor der Menschenwürde. Selbst über den eigenen Körper und die eigene Identität zu bestimmen ist das ureigenste Recht eines jeden Menschen.

Und genau deshalb ist die Abschaffung des geltenden Transsexuellengesetz in Deutschland längst überfällig, denn dieses Gesetz verletzt seit 40 Jahren die Würde und Selbstbestimmung von trans Personen. Wegen dieses Gesetzes müssen Menschen, die den Geschlechtseintrag und ihren Personenstandseintrag korrigieren lassen wollen, mehrere unabhängige psychologische Gutachten und ein amtsgerichtliches Verfahren durchlaufen. Das ist ein absolut unwürdiger Prozess und deshalb ist das TSG endlich durch ein Selbstbestimmungsgesetz, wie es z.B. die bündnisgrüne Bundestagsfraktion eingebracht hat, zu ersetzen.

Vor diesem Hintergrund bin ich der FDP-Fraktion sehr dankbar, dass sie dieses Thema mit ihrem Antrag aufgreift und anspricht, denn alle Demokrat*innen sind gefragt, zusammenzuarbeiten, wenn es um die Grundrechte von Menschen geht.

Der FDP-Antrag bezieht sich ja vor allem auf zwei Punkte.

Einerseits die Abschaffung des Transsexuellengesetzes, was die Bundesebene betrifft.  Die Große Koalition hat hierzu 2019 einen unzureichenden Vorschlag vorgelegt. Außerdem haben die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP Gesetzesentwürfe zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung eingebracht. In der im November 2020 erfolgten öffentlichen Expert*innenanhörung im Innenausschuss des Bundestages gab es eine große Einigkeit, dass  das Transsexuellengesetz endlich abgeschafft und durch ein neues modernes Gesetz ersetzt werden muss. Bedauerlicherweise ist momentan in der großen Koalition scheinbar keine Einigung in Sicht.  Auch wenn die Grüne Fraktion ihr Gesetz noch vor der Bundestagswahl abstimmen lassen will, ist es also leider unwahrscheinlich, dass das TSG noch in dieser Legislatur abgeschafft wird. Es wird damit eines der Projekte, die die nächste Bundesregierung nach 16 Jahren konservativer Stillstandspolitik unbedingt angehen muss. Allerdings muss man anerkennen, dass aus diesen Gründen, verehrte FDP-Fraktion, eine Bundesratsinitiative im Moment wenig zielführend ist.

Der zweite Punkt des FDP-Antrags bezieht sich auf den allgemeinen Abbau von Personenstandsangaben in Verwaltungskommunikation und Dokumenten. Grundsätzlich ist das ein wichtiges Thema, das unbedingt vorangetrieben werden muss. Ob der Weg eines Gesetzentwurfs auf Landesebene dafür allerdings der richtige ist, mag ich bezweifeln. Denn einige der aufgezählten Punkte können vermutlich nur auf bundesgesetzlicher Ebene geregelt werden. Andererseits braucht es, um zum Beispiel in Vorgängen vonseiten der Landesverwaltung auf Geschlechtsangaben zu verzichten, kein Gesetz, da reicht eine An- oder Verordnung.

Es ist also ein Antrag, der in die richtige Richtung geht, aber wir haben als rot-rot-grün einen Alternativvortrag vorgelegt, weil wir einerseits Maßnahmen in allen Lebensbereichen von queeren Personen aufzeigen wollen, die angegangen werden müssen und andererseits z.B. ein klares Bekenntnis, wie es am Ende des Antrags geschrieben ist, vonseiten des Thüringer Landtags an die queere Community aussenden wollen.

Deshalb haben wir, und damit komme ich auf unseren rot-rot-grünen Alternativantrag zu sprechen, in unseren Antrag aufgenommen, dass in allen Bereichen auf einen Abbau heteronormativer Regelungen hingewirkt werden soll, dazu gehört u.a. auch die Einführung und konsequente Umsetzung der geschlechtsneutralen Verwaltungssprache, ein Weg, den unser Justizminister Dirk Adams ja bereits für Verordnungen und Gesetze vorantreibt.

Außerdem wollen wir mit rot-rot-grünen unserem Antrag sicherstellen, dass in Thüringen geschlechtszuweisende und -anpassende Operationen an minderjährigen intergeschlechtlichen Menschen nicht ohne deren ausdrückliche Einwilligung und nur in äußersten medizinischen Notfällen vorgenommen werden. Dazu gibt es auch bereits ein Gesetz auf Bundesebene, das aber noch Lücken aufweist, die dringend geschlossen werden müssen. Darüber hinaus wollen wir die Beratung von queeren Personen zu Fragen ihrer Geschlechtsidentität und deren Anerkennung nach § 45b Personenstandsgesetzes stärken. Hierzu geeignete Beratungsstellen müssen kostenfrei sowie auf Wunsch anonym informieren und ergebnisoffen beraten. Und an dieser Stelle möchte ich auch mal  dem Team um Frau Dr. Ligges  am UKJ ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen. Denn das Team leistet großartige Arbeit im Rahmen der psychosozialen Beratung, stärkt Familien in Thüringen den Rücken und begleitet queere Jugendliche auf ihrem Weg und das ist ganz, ganz wichtige Arbeit  und dafür ein herzliches Dankeschön aus dem Thüringer Landtag!

Die richtige und korrekte Ansprache von Personen mag für cis-Personen, also Personen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, wie ein kleines Problem erscheinen. Dass sie für betroffene Personen von enormer Bedeutung ist, macht aber der folgende tweet deutlich, den ich gestern zufällig auf twitter gelesen habe und zum Schluss meiner Rede vortragen möchte.

Eine Physiotherapeutin berichtete, dass ein Patient ins Praixszimmer kommt, dessen Erscheinungsbild nicht zu der Geschlechtsangabe auf der Kreditkarte passt.

Sie: „Moin, ich bin Frau Aftermath. Wie soll ich Sie ansprechen?“

Große Augen. Patient beginnt zu weinen und sagt „danke“.

Er bedankt sich und macht damit deutlich, was für eine seltene Ausnahme die Anerkennung seiner Geschlechtsidentität ist, etwas das eigentlich allein aus Respektsgründen eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Ich freue mich daher auf die weitere Debatte in den Ausschüssen.

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