22.09.2021
die Mitte-Deutschland-Verbindung wird gemeinhin auch als Hauptschlagader des Thüringer Nahverkehrs bezeichnet. Es ist die Bahnstrecke, welche täglich im Freistaat die meisten Menschen stressfrei und klimafreundlich befördert. Über ein Drittel der Thüringer*innen leben im Umfeld der Bahntrasse. Wie in einem funktionierenden Kreislauf im menschlichen Körper, wo Arterien das Blut vom Herzen wegführen und Venen zum Herzen hin, kann aber auch die Hauptschlagader des Thüringer Bahnverkehrs nur mit zwei Schienen funktionieren. Der zweigleisige Ausbau ist für ein attraktives Schienennetz daher dringend notwendig.
Das Bundesverkehrsministerium sieht die Wirtschaftlichkeit des zweigleisigen Ausbaus zwischen den letzten beiden eingleisigen Abschnitten Papiermühle – Hermsdorf-Klosterlausnitz und Töppeln – Gera jedoch als nicht gegeben an und weigert sich, die notwendigen Mittel für die Finanzierung freizugeben. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Bundes können wir als Grüne nicht nachvollziehen. Denn einerseits wurde hier missachtet, dass künftig der Schienenpersonenverkehr gestärkt werden soll, um das Ziel der Bundesregierung, eine Verdopplung der Fahrgäste bis 2030, zu erreichen. Auch wurde in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nur mit 1 – 3 Güterzugpaaren pro Tag gerechnet. Auch dies konterkariert das eigene Ziel der Bundesregierung, bis 2030 25% Schienengüter-Verkehrsanteil an den Transportleistungen zu erreichen. Beide Ziele werden krachend scheitern, wenn nicht jetzt in ein leistungsfähiges Bahnnetz investiert wird! Wir fordern als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Bund daher dringend auf, seine Bewertungskriterien zu überdenken und eine Finanzierungszusage für den zweigleisigen Ausbau zu geben.
Der Zeitdruck für eine Entscheidung ist hoch. Denn bis Ende 2028 soll die Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Weimar und der Landesgrenze nach Sachsen durchgängig elektrifiziert werden. Dafür müssen die Planungsleistungen, mit denen die kommende Leistungsphase 3 gestartet wird, noch in diesem Herbst von der DB Netz als Aufgabenträgerin ausgeschrieben werden. In diesen Planungen muss zwingend sichergestellt sein, dass gleichzeitig mit der Elektrifizierung der zweigleisige Ausbau kommt.
Ohne die gleichzeitige Planung droht die Stärkung der Strecke – und es geht hier übrigens lediglich um rund 12km (!) – auf Jahre sprichwörtlich verbaut zu werden. Ist die Strecke einmal elektrifiziert, würde ein späterer zweigleisiger Ausbau maßlos teuer und hat damit keine praktische Chance mehr auf Umsetzung. Dagegen könnten jetzt bei gleichzeitiger Planung Synergieeffekte sowohl in Planungskosten, Baukosten als auch Streckensperrungszeiten erzielt werden. Kurz gesagt: wenn jetzt nicht der zweigleisige Ausbau stattfindet, wird es nur teurer!
Deshalb gibt es mehrere Punkte, die aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jetzt angegangen werden müssen. Dazu haben wir gestern auch eine Erklärung veröffentlicht, die online nachgelesen werden kann, wer tiefer ins Thema einsteigen will.
- Die Thüringer Landesregierung muss alles dafür tun, dass der zweigleisige Ausbau zeitgleich mit der Elektrifizierung im Zeitplan stattfinden kann und dies in den kommenden Planungen sicherstellen.
- Der Bund muss seinen Anteil an der Finanzierung des notwendigen durchgängigen zweigleisigen Ausbaus leisten. Mit dieser Entscheidung kann aufgrund des engen Zeitplans nicht bis zu einer Regierungsbildung gewartet werden.
- Alternativ soll das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft eine Förderung des zweigleisigen Ausbaus über die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz prüfen, das Förderquoten von 75 bis zu 90 Prozent ermöglicht.
Wir wissen, dass die Stärkung des Schienennetzes prinzipiell Aufgabe des Bundes ist. Die nächste Bundesregierung muss hier deutlich die Investitionsmittel erhöhen, damit die Verkehrswende in den Ländern auch umgesetzt werden kann. Wir sagen aber auch: es hilft uns an dieser Stelle nicht, Prinzipienreiterei zu betreiben. Investieren wir nicht jetzt, dann ist die Leistungsfähigkeit der Strecke auf Jahre im wahrsten Sinne verbaut! Dann bleibt eine Regio-S-Bahn auf der Thüringer Stammstrecke Illusion und auch der Fernverkehr von Kassel bis Chemnitz würde sich immer wieder mit dem Nahverkehr in Ostthüringen beißen. Deshalb müssen wir jetzt alle Hebel – ggf. auch unter dem Einsatz von Landesmitteln – in Gang setzen, um sicherzustellen, dass die künftige Planung den zweigleisigen Ausbau vorsieht.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Bund muss endlich seine Verantwortung wahrnehmen. Aus meiner Sicht muss das Land dazu aber den Druck deutlich erhöhen.
In diesem Sinne wünsche ich der neuen Verkehrsministerin viel Mut und Kraft, diese Herausforderung entschlossen anzugehen. Wir werden sie weiter dabei unterstützen endlich diese grundlegende Voraussetzung für eine Stärkung der Wirtschaft, Lebensqualität und Anbindung Ostthüringens zu schaffen.