in den Diskussionen um wirksame Klimaschutzmaßnahmen rückt das Thema Wasserstoff zunehmend in den Fokus. Weitgehend unstrittig ist, dass der Wasserstoff als Energieträger bei der Transformation hin zu einem klimaneutralen Wirtschaftssystem eine wichtige Rolle spielen wird. Leider wird in der derzeit laufenden öffentlichen Debatte aber von einigen Akteuren der Eindruck vermittelt, als gäbe es nun mit dem Wasserstoff einen Heilsbringer der einen ziemlichen problemlosen Weg aus der Klimakrise weist. Wenn es darum geht welche konkrete Rolle der Wasserstoff in einem klimaneutralen Energiesystem der Zukunft spielen kann, dann stellen sich doch einige grundlegende Fragen. Bevor ich darauf eingehe welchen Beitrag Thüringen zu dem Aufbau einer deutschen und europäischen Wasserstoffwirtschaft leisten kann, möchte ich mich deshalb zunächst mit diesen Fragen auseinandersetzen.
Für die Bewertung und Einordnung des Energieträgers Wasserstoff muss eine Frage immer bestimmend sein: In welchen Anwendungsbereichen kann der Wasserstoff unter welchen Voraussetzungen einen Beitrag zu einem klimagerechten und kostenoptimalen Energiesystem der Zukunft leisten? Denn man muss sich klarmachen, dass es sich beim Wasserstoff um einen kostbaren Energieträger handelt, der zunächst in einem energieintensiven Herstellungsprozess erzeugt werden muss. Claudia Kempfert, die Energieexpertin des DIW, hat beim Wasserstoff vom „Champagner unter den Energieformen“ gesprochen. Daraus folgt, dass Wasserstoff prioritär in den Bereichen zum Einsatz kommen muss, wo es entweder keine anderen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung gibt oder wo hohe CO2-Reduktionspotentiale ausgeschöpft werden können. Eine weitere wichtige Frage betrifft die Farbe der Wasserstoffproduktion. Für die Klima- und Umweltbilanz ist nämlich wenig gewonnen, wenn der Wasserstoff als grauer, blauer oder türkiser Wasserstoff aus fossilen Energieträgern wie Erdgas oder gar in Atomkraftwerken als gelber Wasserstoff hergestellt würde.
Was die Farbe des Wasserstoffs betrifft, haben wir als Bündnisgrüne eine klare Positionierung. Aus unserer Sicht kann nur der grüne Wasserstoff einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten. Der Strom der in der Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion verwendet wird, muss nach unserer Ansicht zwingend aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Alle anderen Verfahren, wie die unterirdische Speicherung von CO2 beim blauen Wasserstoff oder wie die Speicherung als fester Kohlenstoff beim türkisen Wasserstoff lehnen wir als eine Form des Greenwashings ab. Bei der Herstellung des grauen Wasserstoffs wird das CO2 direkt in die Atmosphäre abgegeben und ist allein schon deshalb keine Option für den Klimaschutz.
Außerdem möchte ich noch auf die Gefahr einer Renaissance der Atomenergie durch die Hintertür hinweisen. In der EU finden derzeit die Verhandlungen zur Umsetzung des Green Deals statt. Dabei gibt es Bestrebungen, die Atomenergie als eine Energiequelle zur Produktion von „sauberem“ Wasserstoff einzustufen. Dieses Ansinnen lehnen wir selbstverständlich ebenso entschieden ab, denn die Atomkraft ist gefährlich, schmutzig und teuer.
Als Vorrausetzung für eine grüne Wasserstoffwirtschaft braucht es also eines verstärkten Ausbaus von Erneuerbaren Energien und zwar zusätzlich zu den bisherigen Ausbaupfaden. Diese Erkenntnis richtet sich an diejenigen in unserem Parlament, die bisher beim Zubau erneuerbarer Energien eine verheerende Blockadepolitik betrieben haben. In dem Antrag der CDU wird der Wasserstoff als Klimaschützer bezeichnet. Ich fordere Sie deshalb dazu auf, sich nun auch eindeutig zu einem Ausbau der Windenergie als dem wichtigsten erneuerbaren Energieträger zu bekennen. Ansonsten ist es das Papier nicht wert, auf den sie Ihren Antrag zum Wasserstoff gedruckt haben.
Bei der Wasserstoffproduktion ist uns neben der Farbe noch ein weiterer Aspekt sehr wichtig. Je nach Energiewendeszenario gibt es unterschiedliche Prognosen, welche Mengen an Wasserstoff für ein klimaneutrales Energiesystem benötigt werden. In vielen Szenarien werden dabei auch Wasserstoffimporte für notwendig erachtet. Deshalb muss auch das Thema Klimagerechtigkeit mit in den Blick genommen werden. Der Globale Süden leidet jetzt schon am stärksten unter den Auswirkungen der Klimakrise, obwohl er am wenigsten zur menschengemachten Klimakrise beigetragen hat. Verlagern die reichen Industrieländer die Wasserstoffproduktion dorthin, besteht leider auch die reale Gefahr, dass erneut neokoloniale Abhängigkeitsmuster reproduziert werden. Als Beispiel sei hier nur auf die Planungen zum Bau des Wasserkraftwerks Inga 3 im Kongo verwiesen, über das grüner Wasserstoff für Deutschland produziert werden soll. Für das Projekt müssten 36.000 Menschen umgesiedelt werden, durch den Staudamm würde das ökologische Gleichgewicht beeinträchtigt, obwohl der produzierte Strom nach den Vorstellungen der potentiellen Investor*innen gar nicht für die Abdeckung des Bedarfs im Kongo, sondern für den Export verwendet werden soll.
Das Beispiel zeigt, dass wir uns den Herausforderungen der Energiewende mit einer inländischen Produktion von grünem Wasserstoff hier vor Ort stellen und die außereuropäischen Importe möglichst auf ein Minimum beschränken müssen. Sollten dennoch Importe notwendig sein, müssen wir an diese sehr strenge soziale, ökologische und menschenrechtliche Kriterien knüpfen. In jedem Fall muss vor einem Export aus den Lieferländern zunächst die lokale Energieversorgung gesichert sein.
Zur Frage, ob wir Importe überhaupt benötigen, möchte ich noch auf eine in der letzten Woche vorgestellte Studie des DIW mit dem Titel „100% erneuerbare Energie für Deutschland“ verweisen. Die Modellrechnungen der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass ein klimaneutrales Energiesystem auch ohne außereuropäische Wasserstoffimporte möglich ist.
Eine weitere grundsätzliche Frage dreht sich um die Anwendungsgebiete in denen Wasserstoff sinnvoll eingesetzt werden kann. Ich hatte es bereits angesprochen, dass dies in den Bereichen sein wird, die sich nicht direkt elektrifizieren lassen. Dies betrifft beispielsweise den Flug- und Schiffsverkehr, sowie Hochtemperaturanwendungen in der Stahl- und Chemieindustrie. Ein besonders wichtiges Anwendungsfeld ergibt sich aus der Eignung des Wasserstoffs als Speichermedium für erneuerbaren Strom. Hiermit leistet der Wasserstoff eine wichtige Systemleistung für ein auf 100% Erneuerbare aufgebautes Energiesystem.
Hiermit habe ich den Rahmen gesetzt, in dem wir in Thüringen die Potentiale des Wasserstoffs ausschöpfen wollen. Wir haben von der Ministerin schon gehört, dass die Landesregierung demnächst eine Wasserstoffstrategie für Thüringen vorlegen wird. Mit dieser Strategie können wir an die Strategien des Bundes und der EU anknüpfen und die Fördermittel aus unserem Landeshaushalt mit denen des Bundes und der EU verzahnen und optimal ausnutzen. Dadurch können wir den Forschungsstandort Thüringen stärken, der Wirtschaftsstandort Thüringen kann entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette profitieren und unsere Energieinfrastruktur kann auf ein klimaneutrales Energiesystem ausgerichtet werden.
Wir können die Potentiale des Wasserstoffs für Klimaschutz und Wirtschaftskraft also nur unter einer Voraussetzung ausschöpfen. Er muss so regional wie möglich und vor allem regenerativ erzeugt werden. Und damit komme ich zum Antrag der CDU. Zu dieser Voraussetzung findet sich ein allenfalls lauwarmes Bekenntnis zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, wohl aber der Hinweis auf die Notwendigkeit blauen und türkisen Wasserstoff produzieren zu müssen. Damit ist die Bezugnahme auf das Pariser Klimaschutzziel in ihrem Antrag aber nicht mehr als Wortgeklingel. Denn wenn es der CDU tatsächlich um eine klimagerechte Energiewende mit einer integrierten Wasserstoffwirtschaft gehen würde, dann müssten Sie sich zu einem Ausbau der Windenergie bekennen. Wir haben hier in diesem Haus bisher in mehreren Anträgen von Ihnen zu diesem Thema aber das komplette Gegenteil erleben müssen.
Wie ich in meinem Redebeitrag deutlich gemacht habe, wollen wir als Bündnisgrüne den Energieträger Wasserstoff für den Umbau in eine klimaneutrale Zukunft nutzen. Als Diskussionsgrundlage dafür können wir den vorliegenden Antrag in den Umweltausschuss überweisen. Den Alternativantrag der AfD lehnen wir ab.