Rede

Laura Wahl zum Klima-Konjunkturprogramm

“Wir stehen vor der schwerwiegendsten Rezession seit langem. Wir haben deshalb mit unserem Klima-Konjunkturprogramm einen konkreten Vorschlag gemacht, wie Maßnahmen gegen wirtschaftliche Folgen der Corona-Krise & Klimakrise angegangen werden können.”

15. Juli 2020

Die Klimakrise macht keine Corona-Pause – EU-Ratspräsidentschaft auch in Thüringen für Investitionen in eine krisenfestere Zukunft nutzen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauer*innen am Livestream,

1,3 Grad! 1,3 Grad Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit haben wir bereits erreicht. Seit Beginn der Messungen war es weltweit noch nie wärmer als in den letzten zwölf Monaten. Die Weltorganisation für Meteorologie warnte in einer Klimavorhersage vor einer Woche davor, dass bereits in einem der nächsten Jahre die Durchschnittstemperatur erstmals die 1,5 Grad-Marke überschreiten dürfte. Damit muss allen klar sein: Wir steuern nicht mehr auf eine Klimakrise zu, wir stehen längst kurz vor der Klimakatastrophe.

Klimakrise aufhalten – Emissionen reduzieren

Das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad bis 2050 zu begrenzen, ist schon jetzt kaum noch zu erreichen. Ab diesem Schwellenwehrt wächst aber die Gefahr enorm, dass sog. Kippelemente in Gang kommen. Eines davon kann man aktuell schon beobachten: in der sibirischen Tundra herrschen Rekordtemperaturen. Durch Waldbrände werden enorme Mengen Kohlenstoffdioxid freigesetzt und zusätzlich gelangt das sehr klimaschädliche Methan durch das Auftauen der Permafrostböden in die Atmosphäre und heizt den menschengemachten Klimawandel zusätzlich an.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt daher in einem aktuellen Bericht zum European Green Deal zu der Schlussfolgerung, dass wir mit 40% Reduktion  der Treibhausgasemissionen bis 2030 nicht mehr hinkommen. Um die Pariser Klimaziele einhalten zu können benötigen wir eine Reduktion von 65% im Vergleich zum Basisjahr 1990. Klimaneutralität ist allerdings nur erreichbar, wenn wir eine Verminderung des europäischen Gesamtenergiebedarfs und vor allem einen Umbaus auf 100% Erneuerbare Energien bis 2040 hinkriegen. Das wäre laut dem DIW und anderer Studien übrigens auch das kostengünstigste Szenario, da durch eine dezentrale Energiewende Wertschöpfung vor Ort geschieht und teure Rohstoffimporte vermieden werden.

Die Bundesregierung hat daher im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft besondere Verantwortung. Sie muss dafür sorgen, dass die kommenden Konjunkturpakete eine zukunftsfähige Zielrichtung erhalten und im Rahmen des zu verabschiedenden European Green Deals wirken. Aber auch im eigenen Land muss sie dafür sorgen, dass die Energiewende vorankommt und muss das Schneckentempo der letzten Jahre in der Klimapolitik endlich hinter sich lassen.

Krisen zusammen denken und lösen

Nun ist aber natürlich auch klar: wir haben es gerade nicht nur mit der Klimakrise zu tun, sondern auch mit einer Pandemie, die enorme wirtschaftliche Auswirkungen hat. So befinden sich aktuell 300.000 Menschen in Thüringen in Kurzarbeit. Wir stehen vor der schwerwiegendsten Rezession seit langer Zeit. Deshalb ist jetzt die Zeit, gegenzusteuern. Ähnlich wie in der EU, muss allerdings auch in Thüringen ganz klar sein, dass staatliche Gelder, die nun in die Hand genommen werden, für klimafreundliche Investitionen ausgegeben werden.

Als Grüne Landtagsfraktion haben wir deshalb mit unserem Klima-Konjunkturprogramm einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, wie Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der Klimakrise zusammen angegangen werden können. Beispielsweise haben wir beobachten können, dass die Menschen während des Lock-Downs vermehrt aufs Fahrrad umgestiegen sind. Leider finden sie in den Thüringer Städten jedoch keine Radinfrastruktur vor, die sie dafür begeistert, auch auf längere Sicht beim Fahrrad zu bleiben. Hier müssen wir ran und deswegen möchten wir den Kommunen mehr finanzielle Spielräume für die Radverkehrsförderung aber auch allgemeine für eine Umstellung auf umweltfreundliche Mobilität bereitstellen. Auch wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, mit einem landesweiten 2€-Euro-Ticket allen Menschen günstig Mobilität zu ermöglichen. Die von der vorherigen grünen Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass dies ca. 6 bis 10 Millionen Euro Mehrkosten fürs Land pro Jahr verursachen würde. Für die Menschen, die nun an vielen Stellen mit weniger Einkommen zurechtkommen müssen, wäre es definitiv ein riesen Gewinn.

Ein weiterer Bereich mit viel Potential bietet der Energiesektor. Dreiviertel der Treibhausgasemissionen in Thüringen sind energiebedingt. Gleichzeitig ist der Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten beiden Jahren ins Stocken geraten. Mit einer Offensive für Solarenergie, würden wir als Thüringen nicht nur unseren Klimazielen näher kommen, wir würden auch zukunftsfähige, moderne Arbeitsplätze schaffen und regionale Wertschöpfung voranbringen.

Es ist zu begrüßen, dass in den Verhandlungen zum Europäischen Klimagesetz, statt des von der EU-Kommission eingebrachten Reduktionsziels von 40% bis 2030, dank der Initiative von Europaabgeordneten über ambitioniertere Zwischenziele mit einer Reduktion von 65% diskutiert wird. Lass Sie uns auch in Thüringen dementsprechende Maßnahmen ergreifen und dem Konjunkturpakt eine klare Ausrichtung für Klimaschutz und zukunftsfähige Investitionen geben. Die 1,3 Grad mahnen uns als Verantwortungsträger*innen, dass dies dringender denn je ist.

Vielen Dank.

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