Rede

Elektronische Ausfertigung und Verkündung von Rechtsakten – Gesetz zur Verfassungsänderung

“Unsere Verfassung soll der breiten Teilhabe und dem einfachen Zugang aller Bürger*innen zur öffentlichen Verwaltung dienen.”

13. November 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream,

wer heutzutage nach einem Gesetzestext sucht, der nimmt in den seltensten Fällen noch ein ausgedrucktes Gesetzeswerk in die Hand, sondern der wird im Internet danach suchen. In der elektronischen Parlamentsdokumentation des Thüringer Landtags sind die gefassten Beschlüsse dieses hohen Hauses gesammelt, auf dem Portal des Freistaats können unkompliziert alle wichtigen Gesetzestexte recherchiert werden.

Auch die Fachleute der juristischen Praxis wie Richter*innen und Anwält*innen arbeiten in ihrem beruflichen Kontext mittlerweile meist mit den elektronischen Fassungen von Rechtsakten. Als Bündnisgrüne begrüßen wir diese Entwicklung sehr, denn schließlich ist die Vermeidung von riesigen Papiermengen ein ganz praktischer Beitrag zum Umweltschutz.

Problematisch ist allerdings, dass die elektronische Fassung von Rechtsakten bisher nicht verbindlich ist, im Zweifelsfall zählt noch immer nur die Version auf Papier. Mit diesem Gesetzesentwurf wollen wir dies ändern und für Rechtssicherheit sorgen. Wir füllen damit eine Lücke, die sich auch aus der Entwicklung der letzten Jahrzehnte ergeben hat. Bisher geht man in der Rechtswissenschaft stets davon aus, dass Rechtsakte nur durch handschriftliche Originalunterschrift und die Verkündung im Gesetzes- und Verordnungsblatt Wirksamkeit erlangen. Wir wollen mit diesem Gesetzesvorschlag einen weiteren Weg eröffnen: die elektronische Ausfertigung und Verkündung von Rechtsakten. Das ist zeitgemäß und auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft ein wichtiger Schritt.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf für eine Verfassungsänderung wird noch nicht die konkrete Umsetzung angegangen, aber wir schaffen damit die Möglichkeit, dies nun auch in der praktischen Umsetzung anzugehen. Dafür müssen im weiteren Schritt die Geschäftsordnung und das Verkündungsgesetz angepasst werden, aber vor allem die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Landtagsverwaltung hat dargestellt, dass sich dies leider nicht von heute auf morgen umsetzen lässt, aber wir wollen heute schon den Prozess initiieren und verfassungsrechtlich diese Möglichkeit einräumen.

In Brandenburg und Bremen wird bereits die elektronische Normverkündung praktiziert: An deren Beispiel orientieren wir uns mit dem Entwurf. Auch auf Bundesebene ist geplant, die Verkündung elektronisch vorzunehmen. Wir reihen uns hiermit also in eine Weiterentwicklung ein, die in vielen Parlamenten nun angegangen wird.

Unsere Thüringer Verfassung wollen wir dahingehend modernisieren, die Beteiligung aller Bewohner*innen im Freistaat und die Wahrnehmung ihrer Rechte zu stärken. Unsere Verfassung soll der breiten Teilhabe und dem einfachen Zugang aller Bürger*innen zur öffentlichen Verwaltung dienen.

Digitalisierung hat mit Demokratie und Rechtsstaat viel zu tun. Wenn die Digitalisierung größere Teilhabe an öffentlichen Verfahren und einen breiteren Zugang zur Verwaltung ermöglicht, dann sichert sie für alle die Wahrnhmung der Rechte und der Pflichten, die unsere Gesellschaft kennzeichnen.

Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sehen in diesem Gesetzesentwurf eine kleine Änderung in der Verfassung, die aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft sein kann und freuen uns auf die Diskussion im Verfassungsausschuss. Wir plädieren gleichzeitig aber auch dafür, dass über die elektronische Verkündung von Rechtsakten hinaus das Thema Digitalisierung einen angemessen Platz in unserer Landesverfassung finden sollte.

Vielen Dank.

 

 

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