Bericht

Bericht über den Polizeieinsatz im Dannenröder Wald am 5.12.2020

Im Dannenröder Wald kam es am Samstag zu mehreren kritischen Vorfällen im Zuge des Polizeieinsatzes, über die wir einen kurzen Bericht abgeben wollen.

In aller Kürze:

Am Samstag kam es im Dannenröder Wald zu zwei Polizeieinsätzen. Der Vormittagseinsatz war zwar mitunter gewaltsam, aber gut kommuniziert und transparent. Insbesondere der zweite Einsatz am Nachmittag gestaltete sich jedoch bisweilen als sehr gefährlich, schlecht bis gar nicht kommuniziert, überzogen und war in unseren Augen unnötig. Über den Tag verteilt kam es zum Einsatz von Wasserwerfern, Pfefferspray, Schlagstöcken und körperlicher Gewalt. Genaueres dazu im Text.

 Ausführlich:

Frühmorgens sind wir gestern in Thüringen aufgebrochen, um die Klimaproteste gegen den Ausbau der A49 im Dannenröder Wald zu unterstützen. Auch Ende Gelände hat dazu aufgerufen und so versammelten sich am  Morgen zur Dämmerung gegen 8 Uhr auf der bereits gerodeten Fläche zwischen dem Baumhausdorf und dem Polizeicamp mehrere hundert Aktivisti. Während die Polizist*innen hinter dem Zaun des Polizeicamps standen, flogen immer wieder Schneebälle in Richtung des Polizeicamps und auch hinein. Die Polizei nahm dies zum Anlass, den Einsatz des Wasserwerfers „Bayern 4“ anzudrohen. Nach ungefähr vier bis fünf dieser Ankündigungen wurde der erste Wasserwerfer gegen die Aktivisti um 8:45 Uhr eingesetzt und später auch ein Zweiter (Bayern 3) – trotz des Schnees und Temperaturen um den Gefrierpunkt! Immerhin wurde der Einsatz aber so häufig angekündigt, dass alle Menschen genügend Zeit hatten, sich zurückzuziehen, wenn sie kein Wasser riskieren wollten. Diese Art der klaren Kommunikation hätten wir uns später noch gewünscht.

Ab  9 Uhr etwa wurden die Aktivisti von einer Polizeikette gewaltsam – auch mit dem stoßenden Einsatz von Schlagstöcken und mit gewaltvollem Schubsen auf unebenen Boden – in Richtung des Baumhausdorfes zurückgedrängt. Dabei sind Aktivisiti auch hingefallen und dies hätte beim unglücklichen Aufkommen auf Wurzelstümpfen zu Verletzungen führen können.  Die Aktivisti bildeten dann eine friedliche Menschenkette rund um das Baumhausdorf und darum herum war die Polizei aufgestellt. Ca. um 11 Uhr wurde die Polizei komplett zurückgezogen und im Baumhausdorf trat eine ruhige Mittagspausenstimmung ein.

Diese zog sich über mehrere Stunden bis sich gegen 13:45 Uhr ganz plötzlich wieder mehrere Polizeieinheiten dem Baumhausdorf annäherten. Das war unerwartet, denn zuvor war die Stimmung so ruhig gewesen, dass wir sogar überlegt hatten aufzubrechen. Außerdem wurde noch 10 Minuten vorher  Laura Wahl von „ihrer“ Besucherbetreuung der Polizei (die für die parlamentarischen Beobachter*innen zuständig sind), angerufen, um zu fragen, ob sie Helm und Warnweste schon abgeben wolle, weil ja heute keine Maßnahmen mehr geplant seien. Ob das eine bewusste Täuschung oder tatsächlich Unkenntnis über die bevorstehenden Maßnahmen war, können wir nicht beurteilen.

Auf jeden Fall sorgte das urplötzliche Polizeiaufgebot für eine starke Anspannung. Die Polizei positionierte sich jeweils mit mehreren Dutzend Einsatzkräften auf beiden Seiten des Baumhausdorfs und fotografierte bzw. filmte hinein. Gegen 14:10 Uhr drang die Polizei dann ohne wahrnehmbare Vorankündigung plötzlich gewaltvoll in das Baumhausdorf ein. Dabei stießen sie unter Tripods vor, in denen Menschen saßen. Hierbei bestand durchaus die Gefahr, dass diese zusammenbrechen und Menschen dadurch gefährdet werden. Später fiel mindestens eine Person durch das Treiben aus dieser Konstruktion. Keine*r wusste, was der Zweck und das Ziel des plötzlichen Einsatzes war und so war die Lage sehr eskalativ. Die Polizei durchbrach gewaltsam die Menschenkette. Sie setze dazu auch unangekündigt und ziellos Pfefferspray und Schlagstöcke ein. In dem Chaos fielen mehrere Menschen durch das Drängen der Polizei bzw. über herumliegende Äste und den schlammigen Untergrund zu Boden und die Gefahr war hoch, dass sie hätten übertrampelt werden können. Mindestens eine Frau aus unserer Gruppe, die in der Menge stand, bekam mit dem Schlagstock einen Schlag in die Nieren. Ebenso sollte bedacht werden, dass das massive Ungleichgewicht der Akteur*innen – Polizei in Vollschutz und Aktivisti in Zivilkleidung – zu einer Gefahrenlage führt. Die Polizei positionierte sich dann zwischen den Barrikaden und Aktivisti. Währenddessen kam es zu dem Vorfall, dass laut Augenzeugenberichten eine Person, die vorher gewaltsam von der Polizei aus der Menschenkette gelöst und dabei anscheinend verletzt wurde, mehrere Minuten im Schlamm lag. Dennoch wurden Sanitäter*innen nicht durchgelassen.

Ab ca. 15 Uhr wurden aus Richtung des Polizeicamps auf der Freifläche die Barrikaden zur “Freimachung der Rettungswege” weggeräumt. Ab 15:10 wurde die erste Person aus einem Tripod am Eingang des Baumhausdorfs geräumt. Dabei wurden nacheinander die drei Baumstämme gekürzt, sodass es langsam abgesenkt werden konnte. Gerade bei der zweiten Person war das ein kritisches und gefährdendes Vorgehen. Die Person befand sich weitgehend ungesichert auf einer Schaukel, die ganze Konstruktion wackelte mehrfach stark und die Gefahr eines Unfalls bestand. Nach diesen beiden Räumungen wurden noch Barrikaden auf dem Weg außerhalb des Camps weggeräumt und gegen 17 Uhr alle Gruppen zurückgezogen – mehrere hundert Polizist*innen. Nachdem wir bereits weg waren, wurden laut übereinstimmenden Aussagen von Aktivisti und Polizei nochmals, nach Ankündigung, Wasserwerfer eingesetzt

Soweit der Bericht, nun zu unserer Einschätzung:

Aus unserer Sicht war vor allem der zweite Polizeieinsatz am Nachmittag gefährlich, überzogen und unnötig. Die offizielle Begründung von Seiten der Polizei war, dass die Rettungswege zum Schutze aller Beteiligten freigeräumt werden müssten. Das hätten sie allerdings ohne Probleme auf dem Weg außerhalb des Baumhausdorfes machen können. Erst durch das unangekündigte und gewaltvolle Eindringen in das Baumhausdorf wurden jedoch Menschen aktiv gefährdet! Den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit empfinden wir hier als nicht gegeben. Auch hätte die Möglichkeit der Kommunikation durch die Polizei bestanden. Indem die Ansage gekommen wäre, sie würden keinen Baum roden, sondern nur die Rettungswege frei machen wollen, ist anzunehmen, dass die Aktivisti die Polizei hätten gewähren lassen. Zumindest hätten dadurch Aktivisti die Möglichkeit gehabt, einen potentiell gefährlichen Einsatzort zu verlassen.

Der Zweck des Einsatzes ist außerdem unklar. Zwar wurden die Barrikaden geräumt, doch klar ist, dass diese nach dem Abziehen der Polizei wieder ziemlich schnell stehen werden. Weshalb die Polizei diesen Einsatz daher am Samstagnachmittag unbedingt noch durchführen musste, ist für uns unverständlich. Für viele Aktivisti wurde nach dem Abzug der Einsatztruppen der Eindruck erweckt, dass an diesem Tag auf Grund der hohen Teilnehmendenzahl der “Ende Gelände”-Aktion nicht gerodet wird. Die Kommunikation der Polizei lies auch keinen anderen Schluss als einen Rodungsstopp für diesen Tag zu. Das darauf folgende Handeln am Nachmittag war aus Sicht der Teilnehmenden spontan bis improvisiert. Das gesamte Agieren der Polizei stellte zu diesem Zeitpunkt ein kommunikationsfreies, gefährliches und keinesfalls ein deeskalierendes Handeln dar. Wir können keinen anderen Grund als eine willkürliche Machtprobe darin erkennen und fordern, dass der Einsatz kritisch aufgearbeitet wird.

 

Verfasser*innen:

Laura Wahl (MdL), Susanne Martin, Thomas Schaefer, Diana Hennig,  Jasper Robeck, Max Reschke

 

 

2 Antworten auf “Bericht über den Polizeieinsatz im Dannenröder Wald am 5.12.2020”

  1. Silvio Zwerschke

    Sehr geehrte Verfasserinnen und Verfasser,

    Ihre Partei stellt in Hessen mit die Landesregierung und ist damit auch für die Abholzung des D. Waldes mit schuldig!
    Da hat es schon ein ,,Geschmeckle“ als Mitglieder der Partei Die Grünen aus Thüringen nach Hessen zu fahren.
    Haben Sie mit Ihren Parteikollegen in Hessen Kontakt aufgenommen um die Abholzung zu unterbinden?
    Gern erwarte ich Ihre Antwort.

    mit freundlichen Grüßen
    Silvio Zwerschke

    • Sehr geehrter Herr Zwerschke,

      zunächst muss unterschieden werden, zwischen der Abholzung des Waldes und dem Polizeieinsatz vor Ort gegen Aktivisti.
      In dem Bericht geht es um den Polizeieinsatz, der nicht immer verhältnismäßig war. Ich war diesbezüglich in Kontakt mit Grünen Kolleg*innen aus Hessen, die den Polizeieinsatz aufarbeiten wollen.
      Die Abholzung des Dannenröder Wald folgt einem jahrelangen Prozess. Die Ergebnisse und damit die Abholzung des Waldes ist rechtsbindend. Nur Bundesverkehrsminister Herr Scheuer könnte hier noch sein Veto einlegen. Nichtsdestotrotz war ich in Kontakt mit den hessischen Grünen und habe Kritik an ihrem Vorgehen bei der Rodung des Waldes geäußert und einen Rodungsstopp gefordert (https://laura-wahl.net/2020/11/23/dannenroeder-wald-retten-offener-brief-fuer-rodungsstopp/)
      Wir Bündnisgrüne sind eine Partei, in der viele verschiedene Meinungen und Vorstellungen zusammen kommen. Ein offener Diskurs und Meinungsaustausch zeichnet uns als Partei daher aus. Inhaltliche Kritik hat für mich daher kein “Geschmäckle”, sondern hilft uns als Partei uns besser aufzustellen und ist Teil des natürlichen Prozesses der Willensbildung der Partei.
      Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Antwort weiter helfen.
      Mit freundlichen Grüßen,
      Laura Wahl

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