Rede

Zur Änderung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes

“Für eine Welt, in der das Frau-Sein kein Sicherheitsfaktor mehr ist, kein Grund weniger zu verdienen oder sich mit anzüglichen Kommentaren rumschlagen zu müssen, ist es ein mehr als weiter Weg. Für eine Gleichstellungsbeauftragte gibt also mehr als genug zu tun.”

05. Februar 2021

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Zuschauer*innen am Livestream,

Krisen wirken sich nie gleichermaßen auf alle Menschen aus. Es macht einen enormen Unterschied, ob man zurzeit ein gesichertes Einkommen hat oder ob es nachts Kopfzerbrechen bereitet, wo man eine neue Winterjacke für das Kind herbekommt. Aber die Grenze verläuft nicht nur zwischen arm und wohlhabend.

Die Pandemie hat auch eine geschlechtsspezifische Komponente. Und diese zeigt sich gerade mehr als deutlich.

 

Die Hans-Böckler-Stiftung hat bereits nach dem ersten Lock-Down gezeigt, dass Frauen signifikant häufiger ihre Arbeitszeit reduziert haben als Männer, um sich um die Kinder zu kümmern. Das mag finanziell bei einem Monat noch keine großen Auswirkungen haben. Nun aber zieht sich das Ganze schon seit vielen Monaten. Das schmälert insbesondere von Frauen nicht nur die beruflichen Aufstiegschancen, sondern dazu kommen auch ganz basale Fragen, wer in der Gesellschaft für die Erziehung von Kindern als verantwortlich gesehen wird und wer nicht. Die Soziologin Jutta Allmendinger sprach davon, dass uns der Lock-Down in der Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern 30 Jahre zurückwerfen würde. Vielleicht stimmt diese These, vielleicht auch nicht. Fakt ist, dass Krisen ein Katalysator sind, um Ungleichheiten zu verstärken. Den sowieso schon sehr langsamen Prozess der Angleichung von Betreuungszeiten könnte es wieder zurückwerfen.

 

Schon in den intakten Familien, die prinzipiell mehr oder weniger gut miteinander umgehen, ist es hart. Aber krass wird es dort, wo Gewalt hinzukommt. Die Zahlen zu von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen sind das eine. In der letzten Zeit war ich immer wieder bei Gelegenheiten, wo Betroffene von häuslicher Gewalt die gegen sie verübte Ungerechtigkeit sichtbar machen konnten. Hierzu kommen immer eine ganze Menge Frauen, die ihre erschütternden Geschichten erzählen und wo einem zum Thema häusliche Gewalt ganz klar wird: es – sind – keine – Einzelfälle !!! Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

allein diese beiden Punkte zeigen: für eine Welt, in der das Frau-Sein kein Sicherheitsfaktor mehr ist, kein Grund weniger zu verdienen oder sich mit anzüglichen Kommentaren rumschlagen zu müssen, ist es ein mehr als weiter Weg. Für eine Gleichstellungsbeauftragte gibt also mehr als genug zu tun.

Und in dieser Situation – wo so vieles im Argen liegt – da kommt die AfD auf die Idee, die Gleichstellungsbeauftrage abschaffen zu wollen. Deutlicher könnte die Partei ihre Frauenverachtung, ihren Gleichstellungshass nicht ausdrücken.

 

Die Begründung der Fraktion ist, dass die Gleichstellung der Geschlechter ja in der Verfassung schon festgeschrieben sei. Jo. Im Gesetz steht aber z.B. auch, dass Gewalt verboten ist. Haben wir deshalb eine gewaltfreie Gesellschaft? Nein! Nicht nur ist klar, dass Gesetze mit Leben gefüllt werden müssen, sondern gerade im Kontext der Gleichstellung muss beachtet werden, dass patriarchale und sexistische Unterdrückungsmuster seit Jahrhunderten tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Da reicht kein Satz in der Verfassung, sondern da braucht es Maßnahmen: Schutzräume für von Gewalt betroffen Frauen, Förderungsmaßnahmen im beruflichen Kontext und genau um solche Dinge auch in der Praxis umzusetzen, ist eine Gleichstellungsbeauftragte notwendig.

 

Noch absurder wird die Begründung der AfD zum zweiten Teil ihres Gesetzesentwurfs, mit dem sie Gender Budgeting aus dem Gleichstellungsgesetz rausstreichen möchte. Gender Budgeting bedeutet, dass bei der Aufstellung des Landeshaushalts darauf geachtet wird, dass staatliche Gelder geschlechtergerecht verteilt werden.  Die AfD schreibt nun in ihrer Begründung, ich zitiere: „Es ist Aufgabe des Landes, die Haushaltsmittel zum Wohle aller im Freistaat lebenden Bürger einzusetzen.“

Dieser Satz hat zwei spannende Punkte in sich. Erstens, wenn ich davon ausgehe, dass sie mit Bürger alle Bürger*innen, also auch die Frauen meinen, dann wäre der Satz sogar richtig. Denn ja, Gelder sollen allen zu Gute kommen – unabhängig vom Geschlecht. Und das ist eben nicht automatisch der Standard. Es gibt immer wieder Beispiele, wo dies nicht der Fall war. Man kann sich z.B. in der Finanzkrise 2008 – und hier sind wir wieder bei Krisen, die nicht gleichermaßen wirken – fragen, warum die Bundesregierung Opel mit Millionenbeiträgen gerettet hat, bei Arcandor – einem Einzelhandelsunternehmen, in dem zu einem Großteil Frauen beschäftigt waren, diese Notwendigkeit aber nicht sah. Es gibt einen ganz einfachen Grund dafür, der auch wissenschaftlich belegt ist: Männer werden immer noch als die Ernährer der Familie gesehen, deren Einkommensausfall fatal wäre. Bei Frauen fällt stattdessen „nur“ ein Zusatzeinkommen weg.

Und solche unsichtbaren Geschlechterstereotype entfalten hier eine ganz reale Konsequenz. Das zeigt, warum Gender Budgeting – so schwierig es in der Praxis auch umzusetzen ist – seine absolute Berechtigung hat.

Meine Damen und Herren,

angesichts der antifeministischen Grundeinstellung der AfD gehe ich aber ehrlich gesagt davon aus, dass die AfD den Satz genauso meinte, wie sie ihn geschrieben hat, nämlich dass die Haushaltsmittel des Landes „allen (männlichen) Bürgern“ zugutekommen sollten. Denn eine Frau am Herd braucht ja auch keine zusätzliche Unterstützung vom Staat. Und wir alle wissen, dass das der Platz ist, den die AfD in ihrem rückwärtsgewandten Weltbild für Frauen vorgesehen hat.

 

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