Rede

Prostitutionsschutzgesetz in Thüringen umsetzen

01.07.2021

“Thüringen ist das einzige Bundesland in Deutschland, in dem das Prostituiertenschutzgesetz noch nicht umgesetzt wurde. Die Politik ist in der Verantwortung, auch in der Sexarbeit für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen”

 

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Dass die Corona-Pandemie insbesondere vulnerable Gruppen besonders heftig getroffen hat, hat sich im letzten Jahr leider auch besonders bei den Sexarbeiter*innen und Prostituierten gezeigt. In den Corona-Verordnungen wurden sie meist komplett vergessen, mit dem Lockdown wurden viele von ihnen von heute auf morgen vor das Nichts gestellt. Denn durch häufig prekäre Arbeitsbedingungen haben sie meist keine finanziellen Rücklagen und teilweise keinen Wohnort. Fatal an dieser Situation war aber auch, dass es in Thüringen keine Beratungsstelle, keinen Ort gab, an den sich Sexarbeiter*innen und Prostituierte hätten wenden können.

 

Als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wir uns deshalb in den letzten Haushaltsverhandlungen insbesondere dafür eingesetzt, dass Gelder für eine solche Beratungsstelle eingestellt werden. Ich möchte daran erinnern, dass Thüringen leider nach wie vor das einzige Bundesland ohne eine solche Beratungsstelle ist. Daher  sind wir froh, dass mit den 200.000 Euro hoffentlich bald eine Beratungsstelle ihre Arbeit aufnehmen kann und begrüßen, dass die Beratungsstelle mit diesem Gesetzentwurf nun auch langfristig verankert werden soll.

 

Sexarbeit ist kein Beruf wie jeder andere. Die Gründe, warum ein Mensch sexuelle Dienste anbietet, sind aber vielfältig. Ebenso vielfältig wie die Gründe, warum sie im Gewerbe bleiben oder auch aussteigen. Deshalb muss eine sehr behutsame, aber hochprofessionelle Beratung und Begleitung stattfinden. Für alle Problemlagen und Fragen, denen sich Sexarbeiter*innen ausgesetzt sehen. Dazu gehören psychosoziale Einzelberatung, Krisenintervention, unterstützende Betreuung beim Ausstieg aus der Prostitution und auch finanzielle Beratung ist ein wichtiger Aspekt. Die Beratungsstelle sollte zentral erreichbar sein, in freier Trägerschaft und mit einer entsprechenden und langfristigen verlässlichen Finanzierung ausgestattet sein.

Auch aus den Erfahrungen anderer Bundesländer und vor allem aus den Gesprächen mit Verbänden wissen wir, dass eine solche Fachberatungsstelle eine ganz wichtige Anlaufstelle für Sexarbeiter*innen bietet. Diese sollte auch eng mit einer Beratungsstelle gegen Menschenhandel zusammenarbeiten und kann hieran weitervermitteln. Es ist nämlich nach wie vor erschreckend, wie wenig über das Problem des Menschenhandels im Bereich der Prostitution in Thüringen überhaupt bekannt ist. Umfassende Beratungsstrukturen können ein Anker sein, um in diesen Bereich etwas mehr Licht zu bringen und damit Opfer von Menschenhandel auch besser unterstützen zu können.

 

Hintergrund des heutigen Gesetzesentwurf ist die Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes in Deutschland 2017, und aufgrund dessen auch in den Ländern Ausführungsgesetze erlassen werden müssen. Ich bin froh, dass wir auch in Thüringen, zwar etwas spät aber nun immerhin auch hier mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nun endlich ein Stück vorankommen.

 

Neben der Verankerung der Beratung begrüßen wir vor allem die Festlegung der Verwaltungskostenfreiheit für öffentliche Leistungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz. Dass mit diesem Gesetz damals auch eine Anmeldungspflicht festgelegt worden ist, wurde von Sexarbeits-Verbänden teils heftig kritisiert. Unabhängig davon, wie man dazu steht, ist aber ganz klar, dass Anmeldungen so gut wie gar nicht gemacht würden, wenn dafür auch noch Verwaltungskosten erhoben würden.

 

Wir würden es als Fraktion darüber hinaus auch gut finden, wenn im Gesetz auch die Existenz eines Runden Tisch Prostitution und Sexarbeit verankert wird. Wenn dafür keine extra-gesetzliche Regelung nötig ist, so denke ich doch, dass sich spätestens nächstes Jahr temporär ein Runder Tisch Prostitution und Sexarbeit in Thüringen zusammenfinden sollte. Knack- und Hemmpunkte, die ganz sicher mit der Einführung des Gesetzes und die damit verbundene Übertragung der Aufgaben an neue Akteurinnen auftauchen werden, müssen rechtzeitig erkannt und besprochen und gelöst werden können.

Teilweise sind die übertragenen Aufgaben sehr deutlich ausformuliert. Vieles wird künftig durch die unteren Gesundheitsbehörden gestemmt werden müssen. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst mit der personellen und professionellen Ausstattung auch schon außerhalb pandemischer Zeiten seit Jahren am Limit ist. Hier kommt die brandneue Rahmenvereinbarung für den zwischen Bund und Ländern geschlossenen Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) mit 75 Millionen und bei den damit finanzierten zusätzlichen Stellen müssen diese neuen Aufgaben mit bedacht werden.

In dem Ausführungsgesetz werden viele Verantwortlichkeiten verteilt: die Regelung des Gewerbezweiges mit eher wirtschaftsrechtlichen Regelung, andererseits die Schutz- und Beratungsaspekte, auch ordnungs-, strafrechtliche und auch sozialrechtliche Fragen. Diese Aufgabenteilung zeigt sich auch in der Zuständigkeit der Verwaltungen: das Landesverwaltungsamt, das für Soziales verantwortliche Ministerium ebenso wie das für das allgemeine Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständige, die für das Gewerberecht und das Gesundheitswesen und den Infektionsschutz zuständigen Behörden …

In dieser Gemengelage darf nicht vergessen werden: Es heißt ProstituiertenSCHUTZgesetz: Und wir sollten aufpassen, dass die Umsetzung nicht zum rein technischen Akt wird! Klar: es ist ein Ausführungsgesetz, aber die Organisation und die Umsetzung kann ein Stück weit thüringenindividuell gestaltet werden, diese Verantwortung sollten wir annehmen.

Denn ist ein Bereich, der viel zu lange nicht beachtet worden ist – ob aus Scham oder Unwissenheit. Wir haben als Politik die Verantwortung, auch im Bereich der Sexarbeit und Prostitution für gute und faire Arbeitsbedingungen, für eine Einhaltung von Menschenrechtsstandards und für eine Ende der Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen zu sorgen.

Daher freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss und hoffe sehr, dass wir noch in dieser Wahlperiode die Verabschiedung des Gesetzentwurf umsetzen können.

 

 

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