02.07.2021
„Klimaschutz ist kein nice-to-have! Es darf kein Weiter so geben! Mit dem Antrag wollen wir einen Punkt setzen, dass wir uns in Thüringen diesen Herausforderungen im Interesse des Schutzes von Mensch & Natur stellen.“
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
durch die drei aufeinander folgenden Dürrejahre sind die Auswirkungen der Klimakrise auch für viele Thüringer*innen spürbar geworden. In der Wettergeschichte der vergangenen 250 Jahre ist eine solche Trockenperiode in unseren Breiten ein beispielloses Ereignis. Und die Ergebnisse der Klimaforschung sind eindeutig: Ein solches Ereignis lässt sich nicht mehr nur durch statistische Zufälle oder natürliche Schwankungen im Klimasystem erklären. Solche längeren Trockenzeiten haben ihre Ursache ganz klar im menschengemachten Klimawandel – und diesen gilt es aufzuhalten.
Die Klimakrise beschleunigt sich immer weiter. Nach den Analysen der Welt-Meteorologie-Organisation der UNO war 2020 das wärmste Jahr seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Deutsche Wetterdienst verzeichnet die 2010er Jahre als das bisher wärmste Jahrzehnt.
Dies macht klar: die Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise müssen deutlich erhöht werden. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass derzeit auf vielen Ebenen die Ziele zur Einsparung von Treibhausgasemissionen erhöht werden. So hat die EU mittlerweile ihre CO2-Reduktionsziele bis 2030 von 40% auf 55% erhöht. In Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurde kürzlich im deutschen Klimaschutzgesetz das Ziel der Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorgezogen.
Doch so notwendig die Diskussionen um Reduktionsziele auch sind. Das eigentliche Problem besteht darin, dass wir in der Klimapolitik unter massiven Umsetzungsdefiziten leiden. Deutschland hat seine internationalen Verpflichtungen vor allem wegen der schleppenden Umsetzung der Energiewende bisher nicht eingehalten. Auch in diesem Kontext gilt für die CDU: Verträge wie das Pariser Klimaabkommen sind einzuhalten!
In der baldmöglichsten Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien liegt zweifellos die Kernmaßnahme der Klimaschutzpolitik. Nur dadurch besteht überhaupt noch eine realistische Chance zur Erreichung des 1,5 Grad Ziels des Pariser Klimaabkommens.
Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass die Auswirkungen der Klimakrise nur dann wirksam bekämpft werden können, wenn als Voraussetzung dafür die Treibhausgasemissionen über eine konsequente Klimaschutzpolitik auf null sinken, Stichwort Klimaneutralität. Ansonsten werden wir die Kipppunkte des Klimasystems überschreiten. Der Klimazustand der Erde würde dann auf eine Heißzeit zusteuern.
Was das bedeutet, können zurzeit in Kanada beobachten. Temperaturen von bis zu 50 Grad belasten Umwelt und vor allem die Gesundheit der Menschen enorm. Die kanadische Küstenprovinz British Columbia verzeichnete von Freitag bis Montag mindestens 233 Todesfälle und damit fast doppelt so viele wie sonst im Durchschnitt in diesen vier Tagen, wie die Behörden mitteilten. Das zeigt sehr deutlich, warum Klimaschutz kein Nice-To-Have ist, sondern dringende politische Aufgabe, wenn wir Gesundheit und Sicherheit unserer Bürger*innen nicht massiv gefährden wollen.
Und man muss deutlich sagen: Wenn wir die Treibhausgasemissionen nicht schnellstens gesenkt bekommen, dann werden auch die Möglichkeiten der wirksamen Klimaanpassung immer geringer und möglicherweise lassen sich für die Probleme Dürre und Wassermangel überhaupt keine adäquaten Antworten mehr finden. Für uns als Bündnisgrüne ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag. Wir müssen unser Energiesystem in Thüringen bis 2035 auf 100% Erneuerbare umstellen, das Ziel Treibhausgasneutralität in den Sektoren Landwirtschaft und Verkehr tatkräftig vorantreiben und das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 erreichen.
Die Klimakrise ist aber mittlerweile so weit fortgeschritten, dass Klimaschutzmaßnahmen allein nicht mehr ausreichen. Ohne ein ganzes Bündel an Klimaanpassungsmaßnahmen wird es nicht mehr gehen. In unserem rot-rot-grünen Antrag „Wassermangel und Dürre vorbeugen“ finden sich deshalb sowohl Maßnahmen zum Klimaschutz als auch zur Klimaanpassung. Hinsichtlich der Klimaanpassungsmaßnahmen müssen wir uns bei der Erarbeitung von Lösungskonzepten auf einen sehr langen Weg einstellen.
Dies zeigt allein schon der Blick in zwei Berichte, die im Juni vom Bundesumweltministerium vorgelegt wurden. Es handelt sich einerseits um die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland und andererseits um den Entwurf für eine nationale Wasserstrategie. Die beiden Berichte vermitteln einen Eindruck davon, welche großen Herausforderungen uns in den einzelnen Bereichen bevorstehen. So wird für Thüringen beispielsweise in der Klimawirkungsanalyse das Klimarisiko beim Handlungsfeld Grundwasserstand und Grundwasserqualität als hoch eingestuft und wurde deshalb mit einem sehr dringenden Handlungserfordernis bewertet. Für die umfassenden Anpassungsmaßnahmen müsse mit einer Dauer von bis zu 50 Jahren gerechnet werden. Die Ziele in der nationalen Wasserstrategie sind auf das Jahr 2050 ausgerichtet. Einer der Schwerpunkte liegt in der Anpassung der Wasserinfrastruktur an den Klimawandel.
Für Thüringen liegt mit dem von der Landesregierung vorgelegten Integrierten Maßnahmenprogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (IMPAKT II) ebenfalls ein Handlungsleitfaden vor. Es wird nun darauf ankommen, viele dieser Empfehlungen auch konkret umzusetzen. Die Dringlichkeit dafür wird durch einen Blick in den Dürremonitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung deutlich. Für weite Teile Thüringens wurden im Sommer 2020 in einer Bodentiefe bis 1,8 Meter eine extreme bis außergewöhnliche Dürre ausgewiesen. Der Zustand unserer Wälder ist leider anschauliches Beispiel dieser Dürre. Und trotz des nasskühlen Wetters in diesem Frühjahr hat sich der Gesamtboden davon kaum erholt. Gegenwärtig werden weite Teile Thüringens zwischen ungewöhnlich trocken und von extremer Dürre betroffen eingestuft.
Diese Daten zur abnehmenden Bodenfeuchte zeigen, wie dringend notwendig eine verbesserte Wasserspeicherfähigkeit der Böden ist. In dem Handlungsfeld Wasserhaushalt wird es also entscheidend darauf ankommen, das Wasser besser als bisher in der Landschaft zu halten. Zur besseren Speicherung des Wassers sowohl in den Kultur- und Naturlandschaften als auch in den Siedlungsflächen werden wir neue Strategien für ein nachhaltiges Wassermanagement entwickeln müssen. So können beispielsweise mit dem Ausbau von naturnahen Gewässerstrukturen, mit der Umstellung auf humusfördernde Ackerbaupraktiken oder mit der Anlage von Heckensäumen und Grünstreifen nicht nur die Wasserspeicherfähigkeiten in der Fläche erhöht, sondern auch neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen werden. Die kürzlich vorgelegte Nationale Wasserstrategie kann dabei als eine Orientierung für die Erarbeitung von regionalen Konzepten und Strategien dienen. Klar ist jedenfalls, dass mit gesunden Böden und in intakten Ökosystemen auch die Wasserspeicherfähigkeiten höher sind und die Auswirkungen von Dürreperioden abgemildert werden können.
Eine zweite Problemlage in dem Handlungsfeld Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft ergibt sich aus der klimabedingten Wasserknappheit. So werden die Nutzungskonflikte bei der Wasserversorgung zweifellos weiter zunehmen. Wir werden deshalb nicht umhin kommen, Nutzungsansprüche zu priorisieren und dafür Konzepte zu erarbeiten. Für uns als Grüne hat dabei die Trinkwasserversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge die oberste Priorität und damit den Vorrang gegenüber gewerblichen Nutzungen.
Ein besonderer Fokus richtet sich bei all diesen Fragen auf die Landwirtschaft. Denn durch die Ernteausfälle ist sie einerseits eine Leidtragende der Klimakrise, wegen ihrer Wirtschaftsweise aber auch eine Mitverursacherin. Durch intensive Düngung und Tiermast werden Treibhausgase wie Methan und Lachgas freigesetzt. Eine Agrarwende hin zu einer ökologischen und klimarobusten Landwirtschaft ist längst überfällig. Die Kohlenstoffbindung und die Wasserspeicherfähigkeit der Böden müssen gesteigert werden. Dazu bedarf es allerdings einer Umstellung der Bewirtschaftungsmethoden. Denn diese tragen bisher auch einen erheblichen Anteil zur Problematik der Bodenverdichtung bei. Nur gesunde Böden mit genug Humus können vor allem auch in Starkregenphasen Wasser bis in die tieferen Bodenschichten speichern und das Wasser in Trockenheitsphasen auch wieder abgeben. Als Bünsnidsgrüne wollen wir deshalb den Anteil der ökologischen Landwirtschaft deutlich steigern. Denn bisher nimmt Thüringen hier im deutschen Bundesländervergleich mit 7% an der Landwirtschaftsfläche nur den drittletzten Platz ein.
Darüber hinaus sehen wir auch die großen Chancen die in der Umstellung auf Agroforstsysteme liegen. In dieser Kombination aus Ackerbau, Weidehaltung und der Anpflanzung von Bäumen und Hecken wird die Wasser- und Kohlenstoffspeicherfähigkeit erhöht und zudem die Bodenerosion wirkungsvoll eingedämmt. Es ist deshalb gut, dass unsere Landesregierung dazu im Bundesrat im Mai eine Initiative eingebracht hat, durch die die Agroforstwirtschaft gezielt unterstützt werden soll.
Ähnlich verhält es sich mit unseren Wäldern. Auch sie sind wichtige Wasser- und Kohlenstoffspeicher. Um diese Funktionen zu erhalten und zu verbessern muss der Waldumbau zu klimarobusten Mischwäldern vorangetrieben werden. Dieser Prozess wird dann am ehesten gelingen, wenn er nach den Prinzipien einer nachhaltigen Forstwirtschaft durchgeführt wird.
Als ein weiterer Bereich müssen verstärkt auch die Siedlungsflächen in den Blick genommen werden. In der Stadtplanung gibt es mittlerweile gute Konzepte Regenwasser zu speichern anstatt es über die Kanäle abzuleiten. Konzepte wie die der Schwammstadt sind darüber hinaus geeignet die Folgen der Klimakrise wie Starkregen und Überschwemmungen zu begrenzen.
In unserem Antrag haben wir zu den Bereichen Boden- und Gewässerschutz, zur Forst- und Landwirtschaft und zur Stadtplanung viele Maßnahmen aufgeführt, die wir bei der Eindämmung von Trockenheit und Dürre für geeignet halten. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird eine Daueraufgabe sein.
Angesichts der sich beschleunigenden Klimakrise müssen alle Maßnahmen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz permanent auf ihre Wirksamkeit überprüft und an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Klar ist jedenfalls, dass es ein Weiter so nicht geben kann. Wir können mit der Zerstörung der Ökosysteme nicht weitermachen wie bisher und Raubbau an unseren eigenen Lebensgrundlagen betreiben. Mit dem Antrag wollen wir einen Punkt setzen, dass wir uns in Thüringen diesen Herausforderungen im Interesse des Schutzes von Mensch und Natur stellen. Wir bitten um die Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.