Rede

Das 9€-Ticket als Einladung an alle Menschen ÖPNV kostengünstig zu nutzen

Plenum 04.05.2022, TOP 25: Meine Rede zur aktuelle Stunde auf Antrag der SPD “Umsetzung des 9-Euro-Tickets in Thüringen


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauer*innen am Livestream,

das 9€-Ticket ist eine großartige Sache und ich bin den Grünen an der Bundesregierung außerordentlich dankbar, dass sie diese Maßnahme zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs durchgesetzt haben.

Das 9€-Ticket ist die Einladung, ÖPNV super günstig auszuprobieren und darüber nachzudenken, wie ein Deutschland und Thüringen aussehen könnten, wenn Bus und Bahn für alle Menschen kostengünstig nutzbar wären.

Wir alle wissen, dass die ÖPNV-Unternehmen gerade durch die Pandemie in den letzten beiden Jahren mit massiven Einnahmeausfällen zu kämpfen hatten. An dieser Stelle einen Dank an alle Schaffner*innen, Zugbegleiter*innen und Busfahrer*innen, die auch in schwierigen Zeiten alles gegeben haben, für ihre Kunden ein attraktives Angebot zu halten.

Auch Unternehmen wie die Erfurter Verkehrsbetriebe, die in den letzten Jahren beständig ihre Kundenzahlen erhöhen und Menschen zum Umstieg auf Bus und Straßenbahn bewegen konnten, hatten einen massiven Einbruch zu verzeichnen. Ich hoffe daher inständig, dass das 9€-Ticket dazu führt, neue Kund*innen oder alte zurückzugewinnen und die Nutzer*innenzahlen auf ein Vor-Pandemie-Niveau zu heben. Wenn das gelänge, hätte das 9€-Ticket einen großartigen Dienst erbracht!

Was uns als grüne Landtagsfraktion jedoch nach wie vor verwundert, ist dass Thüringen dafür nur 33 Millionen Euro von den vom Bund insgesamt bereitgestellten 2,5 Milliarden erhalten soll. Denn wenn man es auf die Einwohner*innenzahl runterbricht oder den Kieler Schlüssel als Berechnungsgrundlage nimmt, müssten es über 60 Millionen sein. Warum also bekommt Thüringen weniger? Wir haben hier noch keine gute Erklärung gehört und ich möchte der Verkehrsministerin mitgeben, sich das noch mal sehr kritisch anzuschauen.

Der Kieler Schlüssel bietet aber eine gute Möglichkeit kurz über die Perspektive des Thüringer Nahverkehrs zu sprechen. Leider führt der Schlüssel aufgrund der sinkenden Einwohner*innenzahlen nämlich dazu, dass in den ostdeutschen Ländern die Regionalisierungsmittel mittelfristig inflationsbereinigt eher sinken.

Das macht zwei Dinge deutlich:

  1. Der Bund muss wie im Koalitionsvertrag vereinbart die Regionalisierungsmittel anheben und Verkehrsminister Wissing muss die Förderung des Bahnverkehrs endlich mit Priorität angehen! Dass er den sauteuren Tankrabatt noch nicht einmal in Frage gestellt hat, aber ständig versucht, die Kosten des 9€-Tickets auf die Länder abzuwälzen ist ein absolutes Unding und ein Hohn für alle Menschen, die einen Verkehrsminister und keinen Autominister erwartet haben!
  2. Für Thüringen bedeutet der Kieler Schlüssel ein Henne-Ei-Problem. Denn immer wieder werden bei Reaktivierungen oder Ausweitungen des Fahrplans Bedenken mit Blick auf die mittelfristig sinkenden Mittel angemeldet, gleichzeitig bekommen wir dann aber eben auch nicht mehr Regionalisierungsmittel, wenn wir die Zugkilometer nicht erhöhen. Denn diese fließen in den Kieler Schlüssel mit ein.

Mit Blick auf die nächsten Landeshaushalte ist es allerdings auch geboten, neben den Regionalisierungsmitteln des Bundes mehr Landesmittel für den ÖPNV bereitzustellen. Denn während andere Bundesländer im Durchschnitt rund ein Viertel der Gelder für den ÖPNV aus eigenen Landesmitteln aufbringen sind es in Thüringen unter 10 Prozent.

Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wünschen uns daher mit Blick auf die Überarbeitung des Nahverkehrplans und Auschreibungen von Bahnetzen mehr Mut mit Blick auf die Zukunft. Schließlich ist das Ziel, die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 und da muss auch Thüringen Schritt halten.

Aufgrund des heutigen Erdüberlastungstags, auch Earth Overshoot Day, will ich noch auf die Verantwortung des Bundesentlastungspakets für den Klimaschutz hinweisen. Die Energie-Steuer-Senkung auf Treibstoffe wird wohl über 3 Milliarden Euro kosten! Diese befristete Energiesteuersenkung auf Benzin und Diesel halten wir für nicht zielgerichtet und unverhältnismäßig. Nachdem die Spritpreise seit den Diskussionen um den Tank-Rabatt wieder gesunken sind, ist es keine gute Idee, den Benzinpreis in den Sommermonaten steuerfinanziert – also von unser aller Geld – um pauschal 30 Cent abzusenken. Die Steuersenkung wird sich als ein Geschenk für SUV-Fahrende auswirken, aber Pendler*innen aufgrund der Sommerzeit und einkommensschwächeren Haushalten nicht wirklich helfen. Es wäre viel sinnvoller, das Geld dauerhaft in eine Mobilitätsprämie, die vorwiegend Geringverdier*innen entlastet, zu investieren.

Abschließend sei gesagt: ich freu mich auf das 9€-Ticket und hoffe, dass viele Menschen die Möglichkeit nutzen, den ÖPNV auszuprobieren.
Ich setze auch auf das Verständnis von Abokund*innen, wenn es an der ein oder anderen Stelle in den Zügen mal voller wird. Denn im besten Fall erzeugt das 9€-Ticket einen solche Nachfrage, dass es ganz viel politischen Druck zur Verbessserung des ÖPNV entwickelt. Und davon profitieren dann am Ende alle.

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