Rede

Abstandsregelung von Windenergieanlagen

86. Plenarsitzung, 14. Juli 2022,  TOP 2: CDU-Gesetzentwurf: Abstandsregelung von Windenergieanlagen (Drucksache 7/1584, 7/5588)

 


Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach nunmehr fast 2 Jahren können wir heute endlich die Beratungen zu einer gesetzlichen Abstandsregelung von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung abschließen. Trotz der weit auseinanderliegenden Ausgangspositionen von rot-rot-grün und der CDU, ist es uns nun gelungen einen guten Kompromiss zu finden. Darüber hinaus konnten wir uns auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag verständigen. Als Bündnisgrüne wünschen wir uns, auf dieser Grundlage weiterhin gemeinsam an der Dekarbonisierung Thüringens zu arbeiten. Denn mit dem Transformationsprozess hin zur Klimaneutralität haben wir ja ohnehin schon einen sehr schwierigen Weg vor uns. Und dieser Weg wird angesichts der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten krisenhaften Entwicklungen auf den Energiemärkten auch nicht einfacher.

Nach dieser Vorbemerkung möchte ich nun auf den vorliegenden Änderungsantrag eingehen. Dazu ist es hilfreich, sich noch einmal die Ausgangssituation in Erinnerung zu rufen. Im Dezember 2020 wurde das Thüringer Waldgesetz geändert. Dies hatte zur Folge, dass Forstflächen fortan nicht mehr für die Windenergie zur Verfügung standen. Nach einer Analyse des Umweltbundesamtes von 2021, reduzierte sich dadurch die für die Windenergie zur Verfügung stehende Fläche um 18%. In derselben Analyse wurde berechnet, dass sich mit dem von der CDU eingebrachten Gesetzentwurf zu einem pauschalen Mindestabstand von 1000 Metern die Fläche um weitere 5% verringern würde.

Für uns als Bündnisgrüne war eine weitere Einschränkung bei der Flächenverfügbarkeit allerdings nicht hinnehmbar. Denn allen Energiewendeszenarien zufolge sind die Klimaschutzziele ohne einen massiven Ausbau der Windenergie nicht zu erreichen. Da ein wesentliches Ausbauhemmnis für die Windkraft in der fehlenden Flächenverfügbarkeit liegt, war der CDU-Antrag in der ursprünglichen Form für uns nicht zustimmungsfähig.

Mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsantrag ist nun allerdings sichergestellt, dass mit der Änderung der Thüringer Bauordnung die Regionalplanung auch weiterhin die 1000m unterschreiten darf und die Aufstellung von Regionalplänen von der Regelung unberührt bleibt. Damit stellen wir sicher, dass die 1000m weder den Ausbau der Windenergie noch die dafür notwendige Flächenverfügbarkeit einschränken.

Zusätzlich haben wir in den Änderungsantrag eine Klausel aufgenommen, die der Landesregierung ermöglicht, die Abstandsregeln durch Rechtsverordnung anzupassen, falls damit die letzte Woche im Bundestag und Bundesrat beschlossenen Flächenziele des Wind-an-Land-Gesetzes nicht erreicht werden können.

Zum Tragen kommt der 1000-Meter-Abstand mit dieser Änderung der Bauordnung nur in dem seltenen Fall eines unwirksamen Regionalplans. In den Beratungen hat die antragstellende Oppositionsfraktion immer wieder verdeutlicht, dass es ihr mit dem Gesetzentwurf vor allem um eine Sicherstellung des 1000m-Abstandes bei dieser Fallkonstellation gehen würde. Mit dem vorliegenden Änderungsantrag werden nun die beiden geschilderten Interessenlagen berücksichtigt. Der vorliegende Änderungsantrag ist deshalb ein guter Kompromiss und wir werben um eine breite Zustimmung dafür.

Damit möchte ich zum Entschließungsantrag kommen. Und zu dem für den Ausbau der Windenergie sehr wichtigen Themenfeld Akzeptanz. In umweltpsychologischen Studien wurde aufgezeigt, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen pauschalen Mindestabständen und Akzeptanz gibt. Das wesentliche Instrument zur Akzeptanzsteigerung liegt hingegen in den finanziellen Teilhabemöglichkeiten von Bürger*innen und Kommunen. Im EEG ist zwar eine finanzielle Abgabe der Betreiber von Windenergieanlagen geregelt. Diese ist aber nur freiwillig. Wir wollen deshalb eine verpflichtende Abgabe an Bürger*innen und Kommunen. Im Frühjahr hat das Bundesverfassungsgericht ein entsprechendes Gesetz aus Mecklenburg-Vorpommern gebilligt. Mit dem Entschließungsantrag bitten wir die Landesregierung deshalb, auch für Thüringen ein Windenergiebeteiligungs-Gesetz zu erarbeiten und so die Menschen vor Ort direkt an der Wertschöpfung zu beteiligen.

Ein weiteres wichtiges Themenfeld bezieht sich auf die Dekarbonisierung der Industrie. Insbesondere energieintensive Industriezweige sind darauf angewiesen, möglichst schnell mit grünem Strom aus 100% Erneuerbaren Energieträgern versorgt zu werden. Eine dieser energieintensiven Branchen in Thüringen ist die Glasindustrie. Eine Branche die darüber hinaus auch noch von der sich abzeichnenden Gasversorgungskrise stark betroffen sein wird. Schon aus Eigeninteresse möchte die Industrie deshalb den Transformationsprozess deutlich beschleunigen. Durch den Ausschluss der Windkraftnutzung in Forstgebieten wird das Potential des Erneuerbaren-Ausbaus allerdings viel zu stark eingeschränkt. Der in Südthüringen angesiedelten Glasindustrie können in der waldreichen Region somit nicht ausreichend Flächen angeboten werden. Im Entschließungsantrag haben wir deshalb festgehalten, die im Waldgesetz vorgesehene Evaluierung vorzuziehen.

Als Bündnisgrüne regen wir darüber hinaus an, einen Blick über die Thüringer Landesgrenzen hinweg in andere waldreiche Bundesländer zu werfen. Rheinland-Pfalz, Bayern und nach dem Regierungswechsel jetzt auch Nordrhein-Westfalen ermöglichen ganz bewusst den Ausbau der Windenergie auf Forstflächen. In unserem Nachbarland Hessen stehen 58% der Windenergiekapazität im Forst. Wir sollten uns deshalb auch in Thüringen dahin bewegen, in einem ersten Schritt zumindest auf Kalamitätsflächen die Nutzung der Windenergie zu ermöglichen.

Zum Schluss möchte ich meiner bereits eingangs formulierten Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die demokratischen Fraktionen und Gruppen in diesem Landtag auf der Grundlage dieser beiden Anträge gemeinsam an der Dekarbonisierung Thüringens weiterarbeiten.

Wir bitten deshalb um Zustimmung für beide Anträge.

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